Vorstellungen
Filmkritik
Nach dem Erfolg von "Schwarzer Engel" und "Carrie - Des Satans jüngste Tochter" kommt nun dieser schon 1973 entstandene Film des sich selbst als Hitchcock-Epigonen bezeichnenden Ex-Undergroundfilmers Brian de Palma in unsere Kinos. "Sisters" wie er im Original viel beziehungsreicher heißt, hält mehr als der plump in eine falsche Richtung weisende deutsche Titel `verspricht`.. Es ist ein zwar nicht auf grobe Effekte verzichtender, aber dennoch einfühlsam inszenierter Psycho-Thriller, der schon im Titel-Vorspann morbide Signale setzt: rot eingefärbte Röntgenaufnahmen eines Embryos bedrängen, unterlegt von einem unheilschwangeren Klangteppich, in immer `näher` rückenden Großaufnahmen den Zuschauer - bis der Embryo sich als Paar entpuppt. Das Thema ist vorweggenommen, wird von de Palma aber nicht sofort aufgegriffen. Mit einer scheinbar romantischen Liebesgeschichte wiegt er den Zuschauer erst einmal in Sicherheit: Das weiße Fotomodell Danielle und der farbige Angestellte Philip lernen sich bei einem Fernseh-Quiz kennen, bei dem er ein Abendessen für zwei und sie ein kostbares Besteck-Set gewinnt. Nachdem sie gemeinsam diniert haben, verbringen sie die Nacht zusammen. Am nächsten Morgen hört Philip aus dem Bad eine Auseinandersetzung zwischen Danielle und ihrer Zwillingsschwester Dominique, die ihr Vorhaltungen macht, weil sie diesen Tag, ihren gemeinsamen Geburtstag, gern mit ihr allein verbracht hätte. Danielle, völlig aufgelöst, bittet Philip, ihr Tabletten zu besorgen. Um die Stimmung zu retten, besorgt er gleich noch eine Geburtstagstorte für die beiden. Als er sich mit der Torte und dem gewonnenen Kuchenheber dem nächtlichen Liebeslager nähert, wird er mit diesem brutal zusammengestochen. Er kann noch mit seinem eigenen Blut "Help" an die Fensterscheibe malen, ehe er stirbt. Eine Journalistin von gegenüber hatte den Vorfall beobachtet und die Polizei alarmiert. Weil sie ihrer kritischen Reportagen wegen bei der Polizei nicht gerade beliebt ist, glaubt man ihr nicht, zudem die Durchsuchung von Danielles Appartement erfolglos bleibt. So macht sich die Journalistin mit einem Privatdetektiv selber an die Aufklärung des mysteriösen Falles, der sie auf die Spur einer durch die Presse gegangenen Operation siamesischer Zwillinge bringt. - Schon in die Anfangssequenzen hat de Palma Fallen eingebaut, in die der Zuschauer dann auch prompt tappt. Brillant ausgeklügelte Details wie die zufällig ins Waschbecken `gestoßenen` letzten Tabletten und die doppelten Kleider in Danielles Schrank schüren immer wieder die unterschwellig ständig vorhandene Spannung. Die Leiche in der Couch und die Verfolgung durch den Privatdetektiv: das ist schon schwarzer Humor à la Hitchcocks "Immer Ärger mit Harry". Überhaupt zeigt de Palma sich seines offensichtlichen Vorbildes, von dem er auch dessen Hauskomponisten Bernard Herrmann ausgeliehen hat, nicht unwürdig. Er versteht es, Hollywood-Perfektionismus mit einer aus dem Underground-Kino kommenden Spontaneität zu verbinden. So wirken seine Bilder, trotz des technischen Aufwandes, unverbrauchter als die des "Meisters". Die Synthese hat sich ähnlich wie bei den Filmen von John Cassavetes als eine Erneuerung für das junge Hollywood-Kino erwiesen. Und wie de Palmas spätere Filme beweisen, hat er sich noch steigern können. Er ist, neben Cassavetes, die Entdeckung des US-Kinos der letzten Jahre.