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Filmplakat von DIE EINSAMKEIT DER GROßSTÄDTER*INNEN

DIE EINSAMKEIT DER GROßSTÄDTER*INNEN

84 min | Dokumentarfilm
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Die Einsamkeit der Großstädter*innen - auf der Suche nach Kommu­ni­kation, Auseinander­setzung, Auf­merk­samkeit, Gesehen-werden, Lust, Begierde, Sex und Liebe, ja auch Liebe – im Dating-Zeitalter als postpandemischer "Reigen". Karate, eine vierzig­jährige Frau ohne Beziehung, kontaktiert über Dating Apps von Tinder, OkCupid oder Badoo zehn unterschiedliche Frauen und trifft sie zum Teil auch, um der Einsamkeitswüste in dieser Groß­stadt während Post-Pandemischer-Krisenzeiten zu ent­kom­men und erfährt bei diesen ganz unterschiedlichen Begeg­nungen viel über das Leben, die komplexen Beziehungs­strukturen, über Einsamkeit und sich selbst.
Dem allgegenwärtigen digitalen Kommunikationsrausch, bei gleichzeitig zunehmender Einsamkeit der Großstädter*innen ist dieser Film auf der Spur. Einer Spur die Einsamkeit hinterlässt , die derzeit in aller Munde zu sein scheint. Während der Journalismus die Leser*innen mit unzähligen Artikeln über das Einsamkeitsphänomen flutet, das Fernsehen Talkrunden einrichtet und die Bundesregierung eine Strategie gegen Einsamkeit beschließt, dabei in der zunehmenden Einsamkeit nicht nur eine Gesundheitsgefährdung, sondern auch eine Demokratiegefährdung sieht und der Überzeugung ist, dass Einsamkeit das wachsende gesamtgesellschaftliche politische Problem ist, widmet sich dieser Film genau diesem Problem. In diesem hybriden dokumentarischen Spielfilm sind die dia­lo­gischen Ge­spräche größten­teils den realen Chats zwischen den kommunizierenden Frauen entnommen.

Vorstellungen

Tilsiter Lichtspiele Berlin
Tilsiter Lichtspiele Berlin
Richard-Sorge-Straße 25A
10249 Berlin
Ostentor Kino Regensburg
Ostentor Kino Regensburg
Adolf-Schmetzer-Straße 5
93055 Regensburg
Lichtblick-Kino Berlin
Lichtblick-Kino Berlin
Kastanienallee 77
10435 Berlin
Werkstattkino
Fraunhoferstraße 9
80469 München

Filmkritik

Schädlicher gar als Zigaretten, Alkohol und zu viel fettes Essen soll sie sein, eine Gefährdung für die Gesundheit wie für die Demokratie: die Einsamkeit. Mit sozialem Versagen gleichgesetzt, hat das insbesondere unter Großstadtmenschen weit verbreitete Gefühl ein denkbar schlechtes Ansehen. Einsamkeit macht ängstlich, verzweifelt und klein, ist weder cool noch sexy. Warum ist das so, war das schon immer so, was lässt sich dagegen tun, Auflehnung oder mutiges Eingeständnis … Kapitulation?

Das sind die Fragen, die in „Die Einsamkeit der Großstädter*innen“ mehr oder weniger direkt gestellt und monologisch wie dialogisch erkundet werden. Trägerin und Verkörperung dieser Fragen ist Karate, eine dreiundvierzig­jährige alleinlebende Frau und Schauspielerin, die auf der Suche ist nach Austausch, Auseinandersetzung, Aufmerksamkeit, Lust, Begierde, Sex und ja, auch Liebe. Karate heißt natürlich nicht wirklich so, es ist ihr Nickname auf diversen Dating-Seiten. Auch diese haben sprechende Namen: Pickable, Bumble, Once, Candidate, Tinder.

Ein Gegenüber, an dem es sich abzuarbeiten gilt

Gespielt oder vielmehr performt wird Karate von Margarita Breitkreiz, die vor allem mit der Berliner Volksbühne assoziiert ist, mit Diskurstheater und Darstellungskunst als Repräsentationskritik und seit einiger Zeit auch mit den schnell und mit sehr wenig Geld produzierten Filmen von Sobo Swobodnik, an denen sie als Schauspielerin und Co-Autorin mitwirkt. „Klassenkampf – Porträt einer sozialen Herkunft“ (2021), „Geschlechterkampf – das Ende des Patriarchats“ (2023): Immer gibt es ein Gegenüber, an dem es sich abzuarbeiten gilt.

Wie schon die letzten Arbeiten basiert auch „Die Einsamkeit der Großstädter*innen“ auf inszenatorischer Reduktion, Improvisation, dokumentarischem Realismus und Theoriereferenz. Ein bekanntes Zitat von Blaise Pascal, das sich in den Text eingewoben findet, schwebt über dem Film: „Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.“

Die Struktur des Films, der sich selbst als „hybrider dokumentarischer Spielfilm“ bezeichnet, ist denkbar simpel. Karate kontaktiert über Dating-Apps verschiedene Frauen, bei manchen bleibt es beim digitalen Austausch, andere trifft sie, meist in blonder, leicht zotteliger Perücke, im „Real Life“: zum Trinken, Flirten, Knutschen, manchmal auch zum Sex, hauptsächlich aber zum Reden. Jede der zehn Frauen, die sie trifft, nimmt jeweils ein eigenes Kapitel ein, dazwischen stehen, gleichsam wie leere Seiten, mit Musik von Susana Abdulmajid unterlegte Aufnahmen charakterloser Straßen und Gebäudefassaden, in die Textnachrichten aus den Chats hineinploppen. Die Bilder sind in mattem Schwarz-weiß gehalten, im Zentrum steht der Text – und das mal fragende, zweifelnde, mal erwartungsvolle, vergnügte und immer lebhafte Gesicht von Margarita Breitkreiz. Ein Chor, bestehend aus drei Männern, ergänzt das Figurenpersonal.

Die Gespräche ziehen weite Kreise

Schauplätze sind die eigene Wohnung, Bars, Supermärkte, Spätis und die nächtlichen Straßen Berlins, der Radius ist begrenzt und erstreckt sich zwischen Volksbühne, Alexanderplatz und Eberswalder Straße. Hinzu kommt ein angedeutetes Bühnensetting, in dem Karate, Vera, Michelle, Pia, Jiu Jitsu und wie sie alle heißen, ihre Gedanken über die Einsamkeit in ein Mikrofon – und mitunter direkt in die Kamera – hineinsprechen. Die Gespräche ziehen weite Kreise: Von der Einsamkeit in pandemischen Zeiten über die Rolle der sozialen Medien und der Maschinenliebe bis hin zu dem in Japan unter dem Begriff Hikikomori bekannten sozialen Phänomen äußerster Selbstisolation.

„Die Einsamkeit der Großstädter*innen“ ist nicht ohne Redundanzen, auch der stereotype Rhythmus erzeugt eine auf die Dauer etwas ermattende Zirkelbewegung. Dankbar ist man daher über jede etwas exzentrischere Gedankenbewegung, die den Rahmen von Zeitungsartikeln, Talkshowrunden und des persönlichen Erlebnisberichts verlässt, um, nur so zum Beispiel, ein wenig im altbabylonischen Gilgamesch-Epos umherzuschweifen.

Erschienen auf filmdienst.deDIE EINSAMKEIT DER GROßSTÄDTER*INNENVon: Esther Buss (4.11.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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