- RegieJan Schmidt-Garre
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2024
- Dauer90 Minuten
- GenreDocumentary
- AltersfreigabeFSK 0
Vorstellungen
Filmkritik
Eine Karriere als Pianist ist angesichts der großen Konkurrenz ein schwieriges Unterfangen. Was zeichnet einen wirklich bedeutenden Interpreten aus? Womit hebt er sich von der Masse ab? Warum berührt die Wiedergabe des einen, die eines anderen dagegen weniger oder gar nicht?
Der Filmemacher Jan Schmidt-Garre, der sich der klassischen Musikwelt schon mit zahlreichen anspruchsvollen Produktionen empfohlen hat, darunter das tiefgründige Porträt des Dirigenten Sergiu Celibidache „Man will nichts – man lässt es entstehen“, ist der richtige Mann, um sich solchen komplexen Fragen zu widmen. Dennoch war er gut beraten, die Auswahl der Künstler sowie die Begegnungen und Interviews dem im Konzertbetrieb gut vernetzten Pianisten Francesco Piemontesi zu überlassen. So entstanden höchst aufschlussreiche Gespräche auf Augenhöhe, die ohne Fachsimpelei auskommen, da Piemontesi und seine Dialogpartner am Flügel demonstrieren, worüber sie reden.
Virtuos & einfühlsam
Das braucht es auch, um musikalische Laien mitzunehmen. Auf seiner Reise durch verschiedene Länder versammelt Piemontesi Größen wie Alfred Brendel, Maria João Pires oder den Dirigenten Antonio Pappano vor der Kamera, aber auch international weniger bekannte Kollegen, die den Film mit ihrem Wissen, ihren Weisheiten und Erfahrungen stark bereichern.
Schon in den ersten Sequenzen vermittelt sich, dass das, wovon sich viele oft beeindrucken lassen, großes technisches Können, Virtuosität oder schnelles und lautes Spiel mit viel Tastendonner, keineswegs das ist, worauf es ankommt. Was die erlesenen Wiedergaben der Pianisten eint, ist ihr empfindsames, seelenvolles Spiel. Das trifft insbesondere auf Kompositionen des in der Klavierwelt so beliebten Komponisten Sergej Rachmaninow zu, der hoch virtuose Werke geschrieben hat, mit denen Pianisten gerne ihr Können unter Beweis stellen. Er bildet in „Die Alchemie des Klaviers“ den Dreh- und Angelpunkt.
Rachmaninows Villa am Vierwaldstätter See ist einer der schönsten Orte, angesichts deren malerischer Umgebung der Film hier und da zu einem leinwandtauglichen Erlebnis wird. Vor allem eine historische Aufnahme aus dem Jahr 1940, auf der Rachmaninow seine Sinfonischen Tänze auf dem Klavier spielt und einem befreundeten Dirigenten erklärt, worum es in der Musik geht, hat Piemontesi und Schmidt-Garre inspiriert.
Auf den Spuren von Rachmaninow
Die reizvolle Idee, die lediglich als Tonaufnahme existierende Einspielung mit Rachmaninow mit einem anderen, ähnlich aussehenden Pianisten in Schwarz-weiß nachzuinszenieren, setzt der Film mit großer Raffinesse um. In dem Klavierprofessor Eldar Nebolsin von der Berliner Hanns Eisler Musikhochschule fand man einen idealen Darsteller, auch wenn man ihn nur von hinten sieht. Nebolsin simuliert das Stück so gekonnt am Flügel, dass die Sequenz geradezu authentisch wirkt und auch noch synchron mit der originalen Tonspur ist. Selbst bei einer Nahaufnahme ist man sich nicht sicher, wessen Hände man da sieht.
Filmisch ambitioniert ist auch der Umgang mit anderen Zutaten, die beim Musizieren eine entscheidende Rolle spielen. In einer Animation werden sie mit dem Zeichenstift in Anspielung auf den Titel in der Küche eines Alchemisten zusammengetragen: Körper, Klang, Farbe, Bilder, Form und Stimme.
Das klingt als Aufzählung etwas simpel, doch die Protagonisten tragen dazu wesentliche Details bei. Etwa wie sich der Klang subtil verändert, je nachdem, ob man mit runden, gekrümmten Fingern spielt oder mit flachen, gestreckten. Der französische Pianist Jean-Rudolphe Kars erläutert an ausgewählten Stücken von Olivier Messiaen exemplarisch, wie er die passenden Tonfarben über spirituelle und religiöse Bilder findet.
Worte für eine magische Kunst
Dass sich zu einem Klavierstück ebenso Worte finden lassen, um ihm wie in der vokalen Musik den passenden Ausdruck zu geben, erläutert Antonio Pappano an seinem Klavier, wenn er Arien aus Puccinis Opern „Tosca“ und „La Boheme“ mit Balladen von Chopin in Beziehung setzt.
In einer der schönsten Szenen gibt es ein Wiedersehen mit Alfred Brendel, der vor allem für seine Maßstäbe setzenden Schubert-Interpretationen berühmt ist. Es gehört schon viel dazu, unter Brendels wachsamen Ohren Schuberts B-Dur-Sonate zu spielen, wie es Piemontesi hier tut, der in Brendel in früheren Jahren einen wichtigen Mentor und Lehrer fand. Der mittlerweile 93-jährige Brendel hat nahezu in jedem Takt so Wesentliches zu sagen, dass man ihm gebannt zuhört. Eine Unterrichtsstunde mit ihm wäre eigentlich ein Film für sich allein.