- RegieVolker Schlöndorff
- ProduktionsländerDeutschland
- Dauer87 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 0
- TMDb Rating5/10 (3) Stimmen
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Filmkritik
Der Satz schwebt wie ein Menetekel über der Menschheit: „Wenn die Wälder verschwinden“, so der britische Forstwissenschaftler Richard St. Barbe-Baker (1889-1982), „verschwindet das Wasser. Die Fische und das Wild, die Ernten, die Herden, die Fruchtbarkeit, einfach alles. Dann kommen die Geister alter Zeiten zurück, heimlich, einer nach dem anderen, Flut, Dürre, Feuer, Hunger und die Pest.“
Diesem düsteren Szenario, das vielerorts längst zur Realität geworden ist, widersetzt sich der 1957 geborene Australier Anthony Rinaudo mit aller Kraft. Vor vierzig Jahren kam er als junger Agrarwissenschaftler in den Niger, um die wachsende Ausbreitung der Wüsten und die entsprechenden Folgen zu bekämpfen. Dabei machte er eine Entdeckung. Nachdem neue Setzlinge fast alle wieder eingegangen waren, konzentrierte er sich auf das riesige Wurzelwerk, das unter dem oft aggressiv gerodeten, vermeintlich toten Boden ruhte. Er begann, sich auf die Wurzeltriebe zu konzentrieren, lernte sie zu beschneiden, zu pflegen und zu hüten – und gab dieses Wissen an die Einheimischen weiter.
Boden – Arbeit - Würde
Sobald dann Bäume wuchsen, konnten in deren Schatten auch Felder angelegt werden. Weil sich allein in der Sahelzone rund 350 Millionen Bauern von ihren kargen Böden ernähren müssen, kam Rinaudos Initiative einem Überlebenskampf gleich. „Ich entdeckte“, so schrieb er über die Bauernfamilien, „dass sie nicht nur den Boden bearbeiteten, sondern auch ihre Würde wiederherstellten und Hoffnung schöpften, sich von der lähmenden Abhängigkeit von ausländischer Hilfe zu befreien.“
Als Volker Schlöndorff davon erfuhr, suchte er die Nähe zu Rinaudo, der 2018 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde, und begann ihn auf einigen seiner Reisen zu begleiten. Später kehrte Schlöndorff auch ohne ihn nach Afrika zurück, suchte dessen Wirkungsstätten auf und befragte die Menschen nach den Umständen, unter denen sie die Entdeckungen Rinaudos für ihr eigenes Leben nutzen. Daraus entstand der Dokumentarfilm „Der Waldmacher“, der das Wissen zum Thema bündelt, mit einer epischen Erzählhaltung aufbereitet und mit Motiven aus Philosophie und Religion grundiert.
Gerahmt durch einen legendenhaften Prolog und einen zuversichtlichen Epilog („Nichts ist tot. Kein Baum ist tot, keine Wurzel ist tot, alles kann wieder werden.“) und mit einer Reihe von Kapiteln nähert sich der Film einem Thema, dessen Facetten in anderthalb Stunden kaum zu fassen sind. Zum einen ging es Schlöndorff um eine Hommage an den bewunderten Zeitgenossen („Die Berufung“), zum anderen um die Beschreibung einer existentiellen Erkenntnis („Der unterirdische Wald“) und schließlich vor allem um die praktische Bewährung einer Idee („Von Menschen und Bäumen“).
Der Traum von der grünen Mauer
„Der Waldmacher“ skizziert kleine Fortschritte, benennt aber auch partielles Scheitern: Die „große grüne Mauer“, ein von Rinaudo geplanter 7.000 Kilometer langer Waldstreifen quer durch Afrika, blieb bislang in Ansätzen stecken. Dass dafür viele Mittel der Weltbank flossen und „buchstäblich versandeten“, wird hier nur angedeutet, was in der Konzeption von „Der Waldmacher“ begründet liegt; es ging Schlöndorff nicht um ein analytisch-schmerzhaftes, auch sarkastisches Doku-Essay über Korruption und Machtmissbrauch, etwa in der Art von Hubert Sauper; es steht vielmehr das Gute, nicht das Böse im Menschen im Zentrum. Die Perspektive von „Der Waldmacher“ ist das Staunen über die Möglichkeit, die Welt zu verbessern und zu bekehren. Keine Dystopie, sondern eine Utopie. Dass diese Haltung bisweilen auch naiv anmuten mag, ficht Schlöndorff nicht an.
Zu den Elementen, die der Regisseur in seinen Film integriert, gehören fünf Kurzfilme von afrikanischen Filmemacher:innen, teils dokumentarisch, teils animiert. So beschreibt Alassane Diagos „Die Tränen der Migration“ den Alltag von Frauen, deren Männer und Söhne in der Ferne nach Arbeit suchen. In „Die Köhlerinnen“ zeigt Idriss Diabaté Frauen beim illegalen Köhlern: Den Wald zu Holzkohle zu machen, ist oft der einzige Weg, um zu Bargeld zu kommen; die Kohle wird vorwiegend in den arabischen Raum exportiert, weil sie wegen ihres besonderen Dufts von den Scheichs beim Barbecue geschätzt wird. Das entsprechende Kapitel im Film heißt folgerichtig „Die Armutsfalle“ und weist auch auf die irrige Annahme hin, dass Feuer die Landschaft fruchtbarer macht.
Eine Sisyphusarbeit
Es ist eine Sisyphusarbeit, die Anthony Rinaudo absolviert. Bisher versuchte er, sein Wissen in 23 Ländern an Politiker und Lehrer, aber vor allem an die bäuerliche Bevölkerung zu bringen. Für ihn zählt auch der kleinste Fortschritt, jedes dank seiner Methode lebensfähige Dorf, und jeder afrikanische Mann, der nicht aus seiner Heimat emigrieren muss. Sein Motto „Wenn man der Natur eine Chance gibt, hilft sie sich selbst“ leuchtet wie ein Stern der Hoffnung – und das weit über Afrika hinaus.
Nicht zuletzt belegt „Der Waldmacher“ die behutsame, achtungsvolle Bescheidenheit, die Rinaudo auszeichnet. Er ist kein weißer Besserwisser, sondern ein Freund, ein Kamerad. Im Gegensatz dazu wirkt es leider etwas eitel, wie sich der Regisseur des Öfteren selbst ins Bild drängt, mit Sonnenhut und teurer Kamera inmitten von Kleinbauern oder Schülern. Durch wenige Schnitte hätte dieser fatale Eindruck leicht vermieden werden können.