Vorstellungen
Filmkritik
Es soll um Sex gehen. Eine Beziehungskomödie mit zwei Paaren, gemeinsam ihrem Liebesleben auf die Sprünge helfen wollen, klingt für das Genre erst mal nicht wahnsinnig aufregend. Obendrein hält sich „Der Vierer“ dann auch lange mit dem Vorgeplänkel auf, das den Sex hinausschiebt, bis die erste Hälfte des Films herum ist. Das aber macht ihn letztlich besser, denn die Dialoge sind unterhaltsam und sie gewinnen Lust, Erotik und Peinlichkeit insgesamt mehr Facetten ab, als wenn vier Schauspieler miteinander auf der Couch herumrollen würden. Oder unterm Tisch, der absurderweise mit einem spanischen Abendessen gedeckt ist – immer ein kleiner Imbiss parat, falls man zwischen dem Partnerwechsel einen Hauch Konvention nötig hat.
Der gedeckte Tisch ist eins der Anzeichen für die Hilflosigkeit, mit der das eine Paar dem Sex-Abend gegenübersteht. Er ist offensichtlich bis hin zum Serviettenmuster vorbereitet, von Paul, dem Gatten von Sophie. Die wiederum hat den Abend konzipiert, ihre Idee ist, die Ehe aufzumöbeln, was sonst. Dem Paar mangelt es seit Jahren an Kommunikation, nicht nur an der körperlichen. Der Gedanke, dem mit Sex zu viert abzuhelfen, ist ein bisschen drastisch, ziemlich unangenehm sogar, das findet jedenfalls Paul. Er findet allerdings vieles unangenehm, denn er ist ein verhuschter Archäologe, der wirkt, als würde er lieber unter als auf der Erde leben. Besonders sympathisch macht ihn seine Furchtsamkeit nicht.
Ausbruch aus der Ehekrise
Die mangelnde Sympathie gilt auch für Sophie, sie ist eine Nervensäge der anderen Art, fordernd und laut, aber immerhin diejenige, die versucht, den festgefahrenen Stand der Beziehung zu ändern. Ausbruch aus der Ehekrise also auf der einen Seite des „Vierers“, ein Paar, das zusammen alt und langweilig geworden ist und sich zwar Sex als Lösung wünscht, aber diesen so überschaubar wie möglich halten will. Trotzdem verlässt Paul die Sorge nicht, es könne fürchterlich werden, eine Sorge, die man bei diesem Setting durchaus teilt. Zum Glück ist die Vorlage ein spanischer Film, die Komödie „Amor en polvo“ (2019), von Autor und Hauptdarsteller Florian David Fitz umgeschrieben für deutsche Verhältnisse, das hilft bei Temperament und Humor.
Dem anderen Paar der Sex-Abmachung schaut man entspannter zu, es sind Pauls ältester Freund Lukas und Sophies beste Freundin Mia. Die kennen einander nicht, was auch bei ihnen für Aufregung sorgt, allerdings für eine der angenehmeren Art. Sie treffen sich an der Theke der Bar, die als Ausgangspunkt für den Abend gedacht war, und flirten, vorsichtig zuerst, bald amüsiert. Alle vier Beteiligten sollten sich für einen ersten Drink dort einfinden, aber Paul und Sophie tauchen nicht auf. So hat Regisseur Iván Sáinz-Pardo die Gelegenheit, zwei Paare an zwei unterschiedlichen Orten zu zeigen, was er nutzt, um einen Blick auf die Liebe im Allgemeinen zu werfen. Mit dem Paar in der Bar erzählt er einen Anfang, mit dem Paar in der Wohnung ein Ende.
Viel Mobiliar geht kaputt
Paul und Sophie beginnen zu streiten, bevor sie die Wohnung überhaupt verlassen, der Streit eskaliert, was der versprochenen Komödie Vorschub leistet. Sáinz-Pardo hält seine Protagonisten nicht zurück, viel Mobiliar geht kaputt, das macht bekanntlich Spaß, zumindest beim Zuschauen. Parallel zum physischen Krach läuft ein psychologischer Schlagabtausch, in den Dialogen wird alles durchexerziert, was sich in langen Beziehungen an Unmut aufstaut. Das machen die Schauspieler mit Tempo und schön abwechselnder Aggression, wobei gezeigt wird, wie lange es dauert, bis hinter einer antrainierten Diplomatie das erste ehrliche Wort fällt. Man sieht, wie das jahrelange Bemühen, Unmut und Konflikte zu unterdrücken, endlich ein Ende findet.
Viel später landen dann doch alle Beteiligten im selben Raum, im selben Bett sogar. Das Versprechen auf Sex wird gehalten, ungefährlich, fast als Slapstick. Pauls Sorge erweist sich als überflüssig, stattdessen erhält man einen Blick auf die verschiedenen Zwecke, für die körperliche Berührung eingesetzt werden kann. Man wird daran erinnert, was Sex alles anrichtet: er dient als Machtmittel, als Verführung, als Bestrafung, als Ablenkung von eigentlichen Zielen. Das sind Klischees, aber in einer romantischen Komödie immer sehenswerte Klischees.
Vom Experiment ins Desaster
Sáinz-Pardo unterfüttert sein Kammerspiel mit ausreichend exaltierten Schlachtenbildern, er führt den „Vierer“ vom Experiment ins Desaster, von der Peinlichkeit in die Aggression und schließlich in eine Art Befreiung. Nicht so, wie das von den Protagonisten geplant war, nicht so, wie man eine Begegnung zu viert gern mal explodieren sähe. Eine deutsche Wohlfühl-Komödie wird nicht in der Hölle enden. Aber das tut dem Vergnügen in diesem Fall keinen Abbruch.