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Filmkritik
Als Michelangelo Merisi, nach seinem Geburtsort Caravaggio genannt, im Herbst 1606 im spanischen Königreich Neapel ankommt, hat er einen steilen Aufstieg zu einem der gefragtesten Maler Roms hinter sich. Nach einem Streit, der mit einem Toten geendet hat, wurde der Maler im gesamten Einflussbereich des Vatikans für vogelfrei erklärt und entzog sich seiner Ermordung durch die Flucht. Diese führt ihn zunächst weiter nach Malta und Sizilien und schließlich 1610 zurück nach Neapel, wo er unter dem Schutz der adeligen Familie Colonna lebt. Doch auch in sicherer Entfernung von Rom und Jahre nach dem Streit ist der Maler nicht sicher vor der Rache der Angehörigen des Toten. Im Gassengewirr wird er von einem Mann mit einem Dolch angegriffen und an der Wange verletzt. Unterdessen beauftragt Papst Paul V. in Rom einen Ermittler mit der Untersuchung des Streits. Je nach Ausgang der Untersuchung könnte die Verurteilung Caravaggios aufgehoben oder aufrechterhalten werden.
Der Italiener Michele Placido, der als Schauspieler bekannt wurde und seit den 1990er-Jahren auch als Regisseur arbeitet, zeigt in seinem neuesten Film „Der Schatten von Caravaggio“ einen der berühmtesten Maler der frühen Neuzeit in seinen letzten Jahren. Der Ermittler (Louis Garrel), von allen nur der Schatten genannt, beginnt mit Befragungen in Caravaggios Umfeld. Er spricht mit Mäzen:innen wie Costanza Sforza Colonna (Isabelle Huppert) und Kardinal Del Monte (Michele Placido) und Kollegen wie Orazio Gentileschi (Lorenzo Lavia). Aus diesen Gesprächen blendet Placido in Szenen auf das Leben von Caravaggio (Riccardo Scamarcio) zurück.
Mit überbordendem Sinn für Details
Der Film stellt Caravaggio als Lebemann vor, der die Vorbilder für seine Bilder unter den Armen, Obdachlosen, Kleinkriminellen und Prostituierten Roms findet. Placido skizziert mit überbordendem Sinn für Details die Entstehungsgeschichte einer ganzen Reihe von Werken Caravaggios, rekonstruiert die Orte, an denen der Maler seine Vorbilder findet, und lässt so die Lebensbedingungen im Rom des 17. Jahrhunderts aufblitzen. Von diesem Sinn für Details hebt sich die Grobschlächtigkeit, mit der Scamarcios Caravaggio über die Leinwände seiner Gemälde schrubbt, unangenehm ab. Von seinen Gönnern für seine Originalität verehrt, macht er sich zugleich unter seinen akademischen Malerkollegen und unter traditioneller gesinnten Kreisen des vatikanischen Klerus zahlreiche Feinde.
Bis heute streitet sich die Forschung über nahezu alle zentralen Punkte der Biografie Caravaggios, von dessen Sexualität und Lebenswandel, den Hergang des Streits, der zu seiner Verurteilung führte, bis zu seiner Todesursache. Für eine fiktionale Bearbeitung von Caravaggios Leben eröffnen sich durch diese Unklarheiten beträchtliche Möglichkeiten. Da sie sich für eine konsistente Rekonstruktion der letzten Jahre des Malers entschieden haben, müssen sich Placido und seine Koautoren Sandro Petraglia und Fidel Signorile an jeder dieser Stellen für eine der Versionen entscheiden. Sie haben leider einen recht konventionellen Weg eingeschlagen und stellen in dem Maler und seinem Schatten eine auf heteronormative Vorstellungen zusammengestauchte animalische Männlichkeit und eine unterkühlte, bisweilen brutale Effizienz der vatikanischen Bürokratie einander gegenüber.
Der Schatten ist nuancenreicher als der Maler
Auf schauspielerischer Ebene entscheidet Louis Garrel diesen Wettstreit klar für sich. Sein Schatten ist deutlich nuancenreicher und interessanter gestaltet als Riccardo Scamarcios Caravaggio, der sich schnell in der Gleichförmigkeit konventionellen Exzesses totläuft. Es hilft dem Film nicht gerade, dass das Drehbuch Caravaggio unablässig von der Suche nach Wahrheit in seinen Bildern reden lässt. Zwar tendieren Biopics oft zur Konventionalität, doch „Der Schatten von Caravaggio“ ist als Caravaggio-Film auch weit uninteressanter als viele seiner Vorgänger. Derek Jarmans „Caravaggio“ von 1986 zeigte den Maler mit viel Sinn für die Maltechnik der Zeit in einer vergegenwärtigten Vergangenheit als bisexuellen Künstler, und der Fernsehroutinier Silverio Blasi inszenierte 1966 Gian Maria Volontè in einem theaterhaften Dreiteiler.
Placidos Film gewinnt nur dann, wenn man ihn gegen die Intention seines Regisseurs als einen Film über den Ermittler, den Schatten, ernst nimmt. Garrels Figur des brachialen Vollstreckers einer konservativen Bürokratie gewinnt als Feindbild ungemein, wenn man sie nicht zum Buhmann reduziert, sondern sie als Einblick in die Durchsetzungskraft und die brutalen Mittel der vatikanischen Kulturpolitik der frühen Neuzeit akzeptiert. Placidos Caravaggio-Bild und dessen Verkörperung durch Scamarcio, der an sich einer der interessantesten Schauspieler seiner Generation in Italien ist, kann man getrost vergessen. Als Film über Kulturpolitik aber ist „Der Schatten von Caravaggio“ ausgesprochen sehenswert.