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Filmkritik
Francis Ford Coppola ist nicht erst seit "Der Dialog" (1973 (fd 19008)) eines der größten Talente unter den jungen Autor-Regisseuren Amerikas. Schon 1966, mit 26 Jahren, schrieb und inszenierte er ein ungewöhnliches Porträt amerikanischer Lebensweise mit der ironisch distanzierten Chronik eines Jünglings ("Jetzt wirst Du ein Mann"). Der Originaltitel dieses Films, "You`re a big boy now", könnte auch noch für den Kern seiner beiden Adaptionen des Romans "Der Pate" (Teil I: (fd 17966)) von Mario Puzo gelten. Nach dem Big Boy hat Coppola einen über Jahrzehnte unwiderstehlich mächtigen "Godfather" beschrieben, wie die Cosa-nostra-Figur des Vito Corleone bezeichnet wurde, die sich eine weitere Generation mit dem Clan-Sohn Michael fortgesetzt hat. - Der 1971 herausgebrachte Film "Der Pate", der zum größten Welterfolg nach dem Kriege avancierte, müßte jetzt eigentlich "Teil II" heißen - der jetzt erschienene "Der Pate, Teil II" behandelt praktisch Teil I und III, denn er umrahmt und ergänzt wie ein Eingangs- und Schlußstück die Blütezeit der führenden italienisch-amerikanischen Mafia-Boß-Familie. "Decline and Fall of the Roman Empire" heißt eines der interessantesten kulturhistorischen Werke des vorigen Jahrhunderts; "Der Pate" ist das filmische Gegenstück betreffend italienische und amerikanische Geschichtstragik des 20. Jahrhunderts. Aufstieg und Fall der Auswandererfamilie Corleone verlaufen nahezu wie ein Gesetz überspannter Macht, die auf Geld, Drohung, Anpassung, Angst und Gewalt basiert und auch deshalb keine Ewigkeit dauert, weil unausbleibliche moralische Konflikte zur Selbstzerstörung führen. Eine filmische historisch-psychische Analyse, zugleich ein Gleichnis, ein allgemeingültiges Lehrstück in Gestalt einer Familienchronik. Familie als romantisches Modell gesellschaftlicher Fehlentwicklung, die von Bruderliebe und Sippentreue über Vetternwirtschaft und Ausbeuterei zur Endstation der Unterdrückung führt: grenzenlose Selbstüberschätzung, Verachtung, Verrat und Verzweiflung, Chaos, Mord und Umsturz sind die Folgen. Der Film umreißt die Stationen einer solchen Entwicklung in meisterhafter, sinnvoller Erzähltechnik, wo die Rückblende nicht zur beigefügten Attraktion verkümmert, sondern funktionale Bedeutung hat. Der ersten Sequenz - ein alltägliches Ereignis sizilianischer Blutrache im Jahre 1901 - folgt der Auszug des einzigen Überlebenden, des jungen Vito Andolini aus Corleone, dessen Ortsname im Land der Freiheit Vitos Kennzeichen ist, dann ein Sprung ins Jahr 1958 nach Nevada, wo der Enkel des inzwischen reichen Grundstückmaklers Vito Kommunion feiert am privaten Parkufer von Lake Tahoe. Der Senator preist Edelsinn und Großmut des Vaters. Von der honorigen Begegnung haben sich beide viel versprochen: Michael Corleone die Lizenz für einen neuen Vergnügungspark, der Senator eine haßvoll-erpresserisch überhöhte Baugebühr. Das Pokergeschäft platzt, so wie andere große Spekulationen in Finanz und Politik zu Bruche gehen, nachdem sie zu legalisierten Scheinerfolgen wucherten. Aus öffentlichem Ansehen, aus maßloser Bewunderung von Erfolg und Macht strömen Denunziation, Mißtrauen, erzwungene Untersuchungsprozesse, sobald Fehler und Schwächen den Mechanismus des mit Risiken auf die Spitze getriebenen Systems aufdecken und zu zerstören beginnen. Die große, dramaturgisch konsequent durchgehende Parallelmontage Coppolas arbeitet geschickt mit Vergleichen und Kontrasten, so daß der Zuschauer wie von selbst aktuelle Bezüge zur (letztlich nicht nur amerikanischen) Geschichte herausfindet. So versteht man Anklänge an die Familienimperien etwa der Kennedys, der Rothschilds oder Rockefellers, die als Familien-Clans ohne "vererbte" zentrale politische Machtstellungen nicht denkbar sind. Doch bei Coppola, der italienischer Abstammung ist und auf europäische Tragweite abzielt, erfährt die familiäre Heimatlosigkeit der Emporkömmlinge eine besonders symptomatische Tragik: Während Vito Corleone sich noch aus dem elenden Proletariat Amerikas aus Not und zunehmend mit Hilfe von Verbrechen herausarbeitete, um das Fortbestehen seiner Familie zu sichern, ist das Machtsystem seines Sohnes bereits so großmaschig und infolge der breiten Angriffsflächen so stark gefährdet, daß er seine Familie weitgehend aus dem Blick verliert, sie teilweise vernachlässigt, ungleich behandelt und durch den inneren Unfrieden, durch die fortschreitende Aushöhlung auch das äußere Machtgefüge sich löst und zerbricht. Da sich der Macht- und Autoritätsverlust in Amerika im entscheidenden Maße gegen Ende der 50er Jahre ausgewirkt hat, spielt der Film in seinen am stärksten betonten Sequenzen in dieser Zeit. Es ist auch die Blütezeit der Vergnügungsindustrie; Corleone liefert selbst das Unternehmerbeispiel Las Vegas. Eine übertragbare Schlüsselfunktion verraten die überspannten Verhältnisse der "Co-Operation" amerikanischer Monopolisten (z. B. ITT und General Fruit Company) am Vorabend der Machtübernahme Castros, der wiederum Ohnmacht, Intriganz und Korruption vorausgingen. Ein kurzschwingender Kreisel der gegenwärtigen Götterdämmerung wird sichtbar. - Das erzählerisch und farbdramaturgisch kluge Absetzen zwischen ständig wechselnder Vergangenheit und Gegenwart gelang Coppola in Zusammenarbeit mit einem außerordentlich exzellenten Spiel der Darsteller. Al Pacino wirkt so echt wie eine dokumentarisch festgehaltene Figur sowohl im privaten als auch im politisch-wirtschaftlichen Bereich. Lee Strasberg als Gegenspieler Hyman Roth sowie Robert de Niro als Vater Vito spielen ebenfalls unübertrefflich. Nur die musikalische Komposition ist vergleichsweise etwas dünnflüssig. Insgesamt verdient dieser Film seinen Erfolg, weil er in angemessener, brillanter Form gesellschaftliche Reflexion und spannende Unterhaltung verbindet.