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Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Der Regisseur Sönke Wortmann ist ein verlässlicher Kumpel. So wie ehedem die Zechen seiner Heimat im Ruhrgebiet Steinkohle zu Tage förderten, schaufelt der Bergmannssohn seit den 1990er-Jahren deutsches Filmgut in die Kinos. Doch nicht alles davon taugt etwas. So etwa auch „Der Nachname“.
Die Fortsetzung von „Der Vorname“, die im Unterschied zum Vorgänger auf keiner literarischen Vorlage fußt, verlagert die Akademikerfamilie Böttcher von Bonn kurzerhand auf die sonnige Insel Lanzarote. Denn Mutter Dorothea (Iris Berben) hat dem versammelten Clan etwas zu verkünden. Auf der klapprigen Leihwagen-Fahrt zur Familienfinca legt die Inszenierung dann aber schon die Marschroute des Films fest. Denn die Beziehung von Stephan (Christoph Maria Herbst) und Elisabeth (Caroline Peters) ist inzwischen so abgekühlt, dass sich „Gespräche“ zwischen den beiden ausschließlich aus Stephans zynischen Pamphleten über die vermeintlich südländische „Que será“-Einstellung sowie Elisabeths eisigem Schweigen beschränken. Im zweiten Leihwagen giftet sich das junge Elternpaar Thomas (Florian David Fitz) und Anna (Janina Uhse) an, wer von ihnen schuld am verkorksten Essverhalten ihres Kindes ist. Damit bringt die Inszenierung schon früh das Pulverfass in Position, dass zeitnah gesprengt werden soll.
Ein neuer Adolf muss her
Dorothea verkündet nach der Ankunft freudestrahlend vor versammelter Mannschaft die frohe Kunde: Sie und ihr Adoptivsohn René (Justus von Dohnányi) sind nun ein Liebespaar und wollen ein gemeinsames Kind aufziehen. Auf der Suche nach einem Anlass, der die ohnehin kriselnde Familienidylle erneut in die Krise stürzt, soll statt des politisch-provokanten „Deutsche Eltern nennen ihr Kind Adolf“-Coups aus „Der Vorname“ nun der moralisch fragwürdige „Adoptiv-Inzest“ als Funke fürs komödiantische Lauffeuer dienen. Doch „Der Nachname“ zündet so wenig wie ein nasses Streichholz in einem feuchten Kohlenkeller.
Schon im Vorgänger fehlte es an dialogischer Schärfe bei den Zwistigkeiten zwischen den rotierenden Parteien, doch jetzt kommt diese komplett abhanden. Denn die Keifenden wechseln derart schnell ihre Gegenstände, dass man als Zuschauer wegen schierer Überfrachtung irgendwann abschaltet. So gesellt sich zum ohnehin überlaufenden Themenpool aus Erziehungsmethoden, Sexualleben und aufzubrechenden Geschlechterrollen bald auch noch das verblassende Erbe des toten Vaters hinzu, das vor allem Thomas bis aufs Blut gegen Renés egozentrische Umsturzpläne (seine Partnerin soll zukünftig König anstatt Böttcher heißen) verteidigt.
Doch abseits von Florian David Fitz’ ausufernden Wutfuchteleien fehlt es dem Schlagabtausch an verbaler Wucht. Auch die Gockeleien zwischen Fitz und Christoph Maria Herbst wirken zunehmend entnervend anstatt stimulierend. Insbesondere Herbst, der sich scheinbar mit dem Rollenbild des piefigen Menschenfeindes abgefunden hat, bekommt fast nur platte Brummeleien anstatt bissiger Kommentare in den Mund gelegt und hält sich daher meist eingeschnappt an einem Glas Rotwein fest. Eine wirkliche Interaktion zwischen den Figuren findet kaum statt; und von einer Chemie zwischen den Figuren ist gar nicht zu sprechen. Ein sich lang anbahnender Haschischrausch, der die beiden Streithähne in verschmuste Kifferkätzchen verwandelt, verschafft nur kurz eine Gelegenheit zum Schmunzeln.
Reizvolle Reibung? Fehlanzeige
Schon zu Beginn wirft „Der Nachname“ das dankbare Kammerspiel-Szenario des Vorgängers über Bord, was den Film jeder reizvollen Entwicklungschance beraubt. Im Unterschied zu einer Gesellschaftssatire wie „The Party“ von Sally Potter, die vor allem durch das Zusammenpferchen seines diversen Figurenensembles größtmögliche Reibungspunkte erzeugt, verliert „Der Nachname“ durch die eingestreuten Panoramaaufnahmen des Inselidylls jede Dringlichkeit. So verlassen etwa Anna und Elisabeth kurzerhand die Böttcher-Finca, um in der nächstbesten Bodega ihre Sorgen in Sangria zu ertränken. Die Frage, was die beiden angesichts ihrer unüberwindbar scheinenden Beziehungsprobleme überhaupt noch auf der Insel hält, sollte man sich erst gar nicht stellen.
Allzu schnell legt Sönke Wortmann seine gängigen Formelkarten auf den Tisch und lässt keinen Zweifel daran, dass es (schon wieder) zu einem kitschig-süßen Happy End kommen wird. Hierfür instrumentalisiert er im Schlussakt noch einmal Iris Berben, die das anfangs entstandene Missverständnis nun monologisch entwirren darf. Jedes Familienmitglied wird hierbei durch den Kakao gezogen, wobei Berben nicht mit moralischen Plattitüden über Vertrauen, persönliche Freiheiten und Wertschätzung spart. Eine Auflösung der Konflikte bleibt außen vor, was Berbens Rundumschlag umso unnötiger wirken lässt.
Mit „Der Nachname“ korrigiert Sönke Wortmann die Erwartungen nach seinen anregenden Tragikomödien wie zuletzt „Contra“ wieder eine ganze Stufe nach unten. Und bestätigt damit den Eindruck, dass der tüchtige Filmemacher ohne adaptierfähige Vorlagen nichts Wertiges aus dem Kohlestollen zutage fördern kann.