Vorstellungen
Filmkritik
Über die Interpretation von Eowyn, Nichte des Königs von Rohan, in Peter Jacksons dreiteiliger Verfilmung von J.R.R. Tolkiens „Herr der Ringe“ lässt sich streiten. Die von Miranda Otto gespielte Figur war weicher, verletzlicher angelegt als die spröde Heldin der Vorlage. Das machte sie zugänglicher, dämpfte aber auch die walkürenhafte Grandezza der Buch-Eowyn, die in ihrem großen Moment dem Obersten der Ringgeister noch kühn ins Gesicht lacht, bevor sie ihm den Garaus macht. Der vom Japaner Kenji Kamiyama inszenierte Animationsfilm „Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim“ ist nun so etwas wie die Wiedergutmachung für alle Walküren-Freundinnen. Auch hier ist Eowyn mit von der Partie; sie fungiert (in der Originalfassung wieder von Miranda Otto gesprochen) als Erzählerfigur im Off und präsentiert eine bedeutsame Episode aus der Geschichte ihres Landes Rohan in einer Version, die, wie sie selbst zu Anfang einräumt, so „nicht in den Büchern“ zu finden ist. Kein Heldenepos, sondern ein Heldinnenepos.
In dessen Zentrum steht eine gewisse Héra, Tochter des Königs Helm Hammerhand, der der aus „Herr der Ringe: Die zwei Türme“ bekannten Festung Helms Klamm den Namen geliehen hat. Von der ersten Sequenz des Films an, in der sie Auge in Auge mit einem gewaltigen Adler ihre Kühnheit demonstriert, ist klar, dass man es hier mit einer Kriegerin zu tun hat, deren Grandezza nichts zu wünschen übriglassen wird.
Das Schicksal Rohans hängt an Mut und Umsicht seiner Prinzessin
Das Storygerüst, das als Bühne für die Figur sozusagen gekapert wird, hat das Drehbuch-Team (dem Philippa Boyens, eine der Autorinnen von Jacksons Tolkien-Filmen, beratend zur Seite stand) getreu aus dem Tolkien-Kanon entnommen. Angesiedelt im Dritten Zeitalter Mittelerdes einige hundert Jahre vor den Ereignissen in „Herr der Ringe“, kreist die Handlung um einen Konflikt Rohans mit einem abtrünnigen Vasallen, der die den Rohirrim feindlich gesinnten Dunländer hinter sich versammelt, um selbst die Krone an sich zu reißen. Auslöser für die kriegerische Eskalation ist eine missglückte Brautwerbung: Freca, Lord von Dunland (das die Rohirrim einst ihrem eigenen Gebiet einverleibten) möchte seinen Sohn Wulf mit Héra verheiratet sehen. Héra lehnt dies trotz einer Kindheitsfreundschaft mit Wulf ab, weil sie ehelos bleiben will, und König Helm heißt es ebenfalls nicht gut. Er hat nicht grundlos den Verdacht, Freca könne den Plan verfolgen, nach dem Einheiraten seines Sprösslings in die Königsfamilie Helms eigene Söhne Haleth und Háma um die Ecke und Wulf auf den Thron zu bringen. Es kommt zum Streit und zu einem Kampf, bei dem Helm Freca mit einem Fausthieb fällt – und sich damit den Hass des untröstlichen Wulf zuzieht. Als dieser einige Jahre später mit einer Armee in Rohan einfällt und ein Verrat König Helm und seine Truppen beträchtlich schwächt, ist es an Héra – und da weichen die Autoren von der Tolkien’schen Vorlage ab –, mit ihrer Umsicht, ihren Führungsqualitäten und schließlich auch ihrer Reit- und Schwertkunst das Überleben ihres Volkes und ihrer Sippe zu sichern. Die Festung, die später als Helms Klamm in die Geschichte eingehen wird, wird zur Zuflucht – oder zur Todesfalle?
Inszenatorischer Wumms
Wenn der Kampf um Helms Klamm seinen Lauf nimmt, werden die Fans von Jacksons Filmen diverse Déjà-vu-Erlebnisse haben: Die Storyline weist zahlreiche Parallelen zu der von „Die zwei Türme“ auf. Was zumindest teilweise schon in der Tolkien’schen Vorlage angelegt ist – als Teil einer Mittelerde-Mythologie, die zyklisch ist und immer wieder mit Wiederholungen/gespiegelten Motiven arbeitet. Aber auch darüber hinaus stützt sich „Die Schlacht der Rohirrim“ stark auf Jacksons Vorbild. Etwa wenn Héra eine Pagen-Figur zur Seite gestellt wird, die wie ein Echo des Hobbits Merry in den „Herr der Ringe“-Filmen wirkt, oder wenn Héras Cousin Fréalaf gegen Ende auf eine Art und Weise in die Geschehnisse eingreift, die fast wie eine Kopie von „Die zwei Türme“ wirkt. Das lässt sich im Kontext der Filmerzählung zwar durchaus rechtfertigen – was man hier zu sehen bekommt, ist schließlich explizit als Eowyns Version der Rohan-Historie etikettiert, und mischen Erzähler nicht öfters eigene Erfahrungen ihre Geschichten? Es sorgt aber auch dafür, dass sich der Plot ohne große Überraschungen abrollt.
Zum Glück hat das Ganze trotzdem genug inszenatorischen Wumms, um über die stolze Laufzeit von über zwei Stunden gepflegte „High Fantasy“-Unterhaltung zu bieten. Was nicht zuletzt mit der visuellen Gestaltung zu tun hat. „Die Schlacht der Rohirrim“ kommt als verwegenes Bastardkind zweier Stile daher. Das „World Building“, die schwelgerischen Landschaften und Raumfantasien, sind plastisch-detailverliebt ausgestaltet und an den Look der Jackson-Filme angelehnt (der von den Tolkien-Illustratoren Alan Lee und John Howe geprägt war, die nun auch für „Die Schlacht der Rohirrim“ als Concept Artists fungierten). Die Figuren wiederum kommen im klassischen zweidimensionalen Anime-Stil daher. An die Reibung, die dadurch entsteht, muss man sich am Anfang ein bisschen gewöhnen, dann aber schmiegt sich die visuelle Gestaltung gut an die Story an: Die Szenerien durchweht, kräftig unterstützt durch den Soundtrack, der gleiche episch-anderweltliche Atem wie Jacksons Tolkien-Filme, während der Anime-Look die Charaktere so konturiert, dass sie etwas herrlich Wuchtig-Archaisches bekommen, nicht zuletzt da, wo es um die großen Emotionen geht, denen der Film neben allem Schlachten-Furor und aller Action dankenswerterweise genug Raum einräumt – da blitzen der Hass, der Schmerz und der Kampfgeist nur so aus den Augen, und der Stolz ist in den markanten Gestalten geradezu greifbar.
Héras Klamm!
Während Héra, Helm Hammerhand und das Volk von Rohan eindrucksvoll so Gestalt annehmen, als wären sie die Verkörperung heroischer Fantasien, die die Erzählerin Eowyn in die ihr vertrauten Stätten und Landschaften hineinprojiziert, hätte die Gestaltung der Antagonisten etwas mehr Fingerspitzengefühl vertragen können. Dass Kenji Kamiyama und sein Team Tolkiens Zeichnung der Dunländer (braune Hautfarbe, dunkle Haare, Primitivlinge) mehr oder weniger übernehmen und die Exotisierung entlang alter Südländer-Klischees aus dem Kolonialzeitalter noch verstärken, indem sie sie mit den aus „Die Rückkehr des Königs“ bekannten Kriegs-Olifanten der Haradrim in die Schlacht ziehen lassen, wirkt ziemlich vorgestrig (auch wenn die riesigen Rüsseltiere zugegebenermaßen für einige spektakuläre Action-Highlights sorgen). So weit hat die Sensibilisierung der Macher dann wohl doch nicht gereicht, dass sie auch die Bösewichter umfassen könnte. Bleibt die Freude daran, dass immerhin dem weiblichen Heldentum nichts schuldig geblieben wird. Wer war nochmal Helm Hammerhand? Egal: Nach „Die Schlacht der Rohirrim“ ist klar, dass Helms Klamm fortan Héras Klamm heißen sollte.