- RegieJavier Espada
- ProduktionsländerSpanien
- Produktionsjahr2024
- Dauer83 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 6
- IMDb Rating6.7/10 (48) Stimmen
Vorstellungen
Filmkritik
Der Film von Javier Espada über den großen Luis Buñuel ist ein Buchhalterfilm, der sich an jene richtet, die bislang wenig Kontakt mit diesem für das Kino entscheidenden Künstler hatten. Es ist eine Einleitung ins Leben und Werk eines der größten Filmemacher des 20. Jahrhunderts. Espada, der Direktor des Buñuel-Zentrums in dessen Geburtsort Calanda, entwickelte seine Dokumentation aus einer PowerPoint-Präsentation, die er in der Covid-Zeit erstellte. Das sieht man dem müde dahinplätschernden Film jederzeit an.
Der Stil des Films widerspricht komplett dem herrlich wild-wuchernden Treiben Buñuels. Es entsteht eine in der eigenen Konventionalität erstickende Einführung ins Werk des großen Regisseurs, die sich entlang von dessen autobiografischen Texten aus "Mein letzter Seufzer“, einigen Gedichten, der surrealistischen Kunst von Magritte, Marcel Duchamp und André Breton sowie stereoskopischen Fotografien von Buñuels Vater an klassischen Interpretationen seiner Bilderwelten versucht. So lässt sich die eine Szene auf jene Legende aus seiner Heimat zurückführen, die andere auf die Liebe zur Stummfilmkomödie und wieder eine andere auf die katholische Erziehung.
Die Lesbarmachung des Oeuvres
Man sieht Szenen aus den Filmen Buñuels und dazu spricht eine Stimme dessen Texte oder vermittelt allgemeinere Überlegungen. Die Aufgabe des Films ist die Lesbarmachung eines Oeuvres. Man wähnt sich in einem mittelmäßigen Referat im zweiten Semester der Filmwissenschaften. Der subjektive Zugang von Espada bleibt schleierhaft. Was interessiert ihn an Buñuel? Auch bleibt komplett ausgespart, was diese Filme mit der Welt zu tun haben, in der wir leben. Stattdessen werden von Buñuel selbst genannte Motive wie Religion, Tod oder Sex anhand von Beispielen durchexerziert. Interessantere Quellen, wie etwa die faszinierenden Memoiren von Buñuels langjähriger Ehefrau Jeanne Rucar, werden nicht berücksichtigt. Aus ihnen hätte sich ein anderes, komplexeres Bild des Künstlers ergeben, ein Bild, das Buñuels Selbstbild durchaus widersprochen hätte.
So aber lassen sich zahlreiche ikonische Bilder, wie die von toten Pferden, Eseln oder abgetrennten Beinen in Buñuels Filmen laut Espada auf dessen Leben oder äußere Einflüsse zurückführen. Wer schon einmal verdutzt vor diesen Filmen saß, wird sich fragen, wie es sein kann, dass all dieser schwer erklärliche, erotische, unheimliche, schräge Reiz so scheinbar leicht zu dechiffrieren ist. Wer je einen Beweis gesucht hat, dass die Entstehung von Kunst nicht wirklich nachzuerzählen ist, findet hier den Beleg dafür.
Hinzu kommt, dass der Film nicht ganz verstecken kann, dass er mit spanischem Geld finanziert wurde. Das bedeutet, dass er den Eindruck vermittelt, als lasse sich die Größe dieses berühmten Exil-Spaniers auf die Landschaft und den Geist seines Herkunftslandes zurückführen. Durch manche Sequenz weht ein Hauch von Tourismuswerbung. Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, vielleicht doch einmal nach Calanda reisen zu sollen. Das Resultat ist ein merkwürdiger Film, der mit biederer Logik einer subversiv-surrealen Kunst begegnet.
Kino im Leerlauf
Mehr lässt sich über diese Arbeit eigentlich kaum sagen. Es stellt sich aber die allgemeinere Frage, wie grundsätzlich mit Filmgeschichte umgegangen werden soll. Die Notwendigkeit sich regelmäßig wiederholender Einführungen soll dabei nicht in Frage gestellt werden, auch wenn ihre Dominanz in solchen Dokumentationen und im Feuilleton frappierend ist. Dabei bewegt man sich in einer Sackgasse, denn es ist nun mal wichtig, bereits Bekanntes zu wiederholen, damit es bekannt bleibt. Aber irgendeine Perspektive aus der Jetztzeit wäre dennoch nötig, sonst könnte man ja einfach eines der zahlreichen Bücher über oder von Buñuel lesen, oder noch besser einfach seine Filme wiedersehen.
Diese Perspektive ist keine Frage einer bloßen Aktualisierung oder ein relevanzheuchelnder Mechanismus; sie ist ein notwendiges kritisches oder ästhetisches Instrument, um Filmkultur weiterhin lebendig zu halten. Das kann man dieser Dokumentation allerdings nicht allein vorwerfen; es entspricht einer generellen Tendenz in Filmen und Texten, die sich mit großen Namen schmücken, aber nichts zur Sache beitragen. Buñuel hätte Aufregenderes verdient.