- RegieEric Till
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr1999
- Dauer89 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
Vorstellungen
Filmkritik
Der Name Dietrich Bonhoeffer ist nicht nur in kirchlichen Kreisen bekannt. Nach dem evangelischen Theologen, der kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg ermordet wurde, heißen in Deutschland eine Reihe von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Die bekannteste Abbildung zeigt Dietrich Bonhoeffer mit schütterem Haar und Nickelbrille als vergeistigen Akademiker, obwohl der 1906 in Breslau geborene Spross einer großbürgerlichen Familie eine ausgeprägte pädagogische Ader besaß.
Aus der historischen Ferne des Erinnerungsbildes befreit ihn jetzt ein biografischer Film, der den Geistlichen in Gestalt von Ulrich Tukur als sprachbegabtes, musikalisches Multitalent präsentiert, als sympathischen, weltoffenen Intellektuellen, der nach der Machtergreifung Hitlers bald zu einer der wichtigsten Figuren innerhalb der Bekennenden Kirche wurde.
Rückkehr nach Deutschland
Der Film beginnt im Sommer 1939 mit Bonhoeffers Lehrtätigkeit in New York. Doch es zieht ihn zurück nach Deutschland, weil Bonhoeffer seine eigene Sicherheit als Verrat an den Freunden empfindet. Mit der Rückkehr blendet auch die Handlung fast unmerklich mehrere Jahre zurück, um in kursorischer Szenenfolge Bonhoeffers Umfeld und die Repressalien der nationalsozialistischen Kirchenpolitik zu skizzieren. Durch seinen Schwager Hans von Dohnanyi (Ulrich Noethen) gerät er in den Widerstandskreis der deutschen Abwehr um General Canaris, für den er nach der Reichskristallnacht als Kurier tätig wird. Er soll seine kirchlichen Verbindungen nutzen, um dem Ausland Informationen über die Pläne und Absichten der Verschwörer zuzuspielen.
Mit derselben Entschlossenheit, mit der Bonhoeffer gegen das NS-Regime agiert, stellt er sich aber auch seinen moralischen Skrupeln und Zweifeln, aus deren Reflexion eine radikale christliche Ethik erwächst. Nur wenige haben sich der Frage der Schuld in politischen Zwangslagen so konsequent gestellt wie Bonhoeffer, dessen Gedanken während der 1960er- und 1970er-Jahre in den südamerikanischen Befreiungstheologien auf fruchtbaren Boden fielen.
Über seinen drängenden Aufgaben und theoretischen Entwürfen verlor Bonhoeffer jedoch auch die Welt nicht aus den Augen, was sich in der Beziehung zu der 17-jährigen Maria von Wedemeyer (Johanna Klante) spiegelt, die er 1942 kennen und lieben lernt. Nach einem gescheiterten Hitler-Attentat fliegen die militärischen Verschwörer auf. Auch Bonhoeffer wird Anfang April 1943 verhaftet und knapp zwei Jahre im Wehrmachtsgefängnis Tegel gefangen gehalten, ehe er drei Wochen vor Kriegsende am Galgen stirbt.
Ein ambitionierter Fernsehfilm
„Bonhoeffer - Die letzte Stufe“ ist ein ambitionierter Fernsehfilm, der von dem kanadischen Routinier Eric Till inszeniert wurde und das Bild eines äußerst lebendigen, integren Menschen zeichnet, der an den Herausforderungen seiner Zeit wächst, nicht zerbricht. Dass Bonhoeffer dabei ein gläubiger Christ und Pastor war, vermittelt Till en passant, mehr über Dialoge und das Umfeld als über kodifizierte Gesten oder Rituale, um so zum Kern von Bonhoeffers Persönlichkeit vorzudringen, wie sie in dessen Texten die Zeit überdauert hat.
Zwar misslingen manche Szenen, vor allem, wenn Till mit Gegenlicht arbeitet oder der größte Teil des Films von einer unbeschwerten Morgensonne erwärmt wird. Auch lässt sich kaum übersehen, dass der Film an verschiedenen Stellen gerafft und umgeschnitten wurde. Doch Tukurs verblüffende Ähnlichkeit mit Bonhoeffer, seine nuancierte Darstellung und der unaufgeregte Rhythmus der Inszenierung lassen einen Charakter greifbar werden, der von einer tiefen Hoffnung durchdrungen war, ohne für die Katastrophen der Gegenwart blind zu sein. Tukurs Bonhoeffer ist weder ein steifer Kirchenmann noch eine narzisstische Führerfigur, sondern ein zupackender Herzensmensch, dessen „Gottesoption“ ihn zwar nicht vor Angst und Anfechtungen bewahrt, aber eine innere Freiheit gibt, aus der heraus er gegen die Diktatur ankämpft.
Nur wer für die Juden schreit
Ein Bonhoeffer-Satz wie „Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen“ klingt in Tukurs Anverwandlung nicht wie ein billiger One-Liner, sondern eher wie ein Credo. Und noch in den Gefängnistexten, die zumeist Gebete sind, ist etwas von den inneren Wurzeln zu spüren, aus denen Bonhoeffers Persönlichkeit erwuchs.
In den besten Momenten schwingt sich die Inszenierung sogar zu einer dezenten bildhaften Verdichtung der Zeit Schicksal auf, wenn e in manchen überraschenden Totalen vom Größenwahn der Nazis erzählt wird. In intimeren Momenten, etwa der Hinrichtung, gleitet der Film aber auch ins Prätentiöse ab, was durch die musikalische Gestaltung oft zusätzlich unterstrichen wird.
Dennoch kann man dem Versuch, sich der Gestalt Bonhoeffers zu nähern, sowohl aufgrund ihrer Ernsthaftigkeit als auch wegen ihrer psychischen Sensibilität die Anerkennung nicht versagen.