- RegieFelix Maria Bühler
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2023
- Dauer91 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 12
- IMDb Rating8.2/10 (6) Stimmen
Vorstellungen
Filmkritik
Sechs Monate nach dem Hungerstreik, mit dem junge Menschen Ende August 2021 vor dem Berliner Reichstag vergeblich ein öffentliches Gespräch mit den drei Kanzlerkandidat:innen über die Realitäten des Klimawandels erzwingen wollten, treffen sich Beteiligte und Unterstützer in einem Buchladen. Wortführerin des Abends, der so etwas wie ein Stimmungsbild einfangen will, ist die 19-jährige Lina; für manche ist sie ein heroisches Vorbild, für andere eher die Verkörperung sinnloser Aufopferung.
Felix Maria Bühler stellt dieses „Sondierungsgespräch“ programmatisch an den Anfang seines Dokumentarfilms „Bis hierhin und wie weiter?“. Denn was in der medialen Berichterstattung über sogenannte Klimakleber, „Hambi“- und Lützerath-Aktivist:innen meist zu kurz oder gar nicht zur Sprache kommt, sind nicht nur die hinter einer „Bewegung“ stehenden Individuen, sondern mehr noch ihre teilweise sehr unterschiedlichen Positionen. Die Anwesenden in dem Buchladen mögen sich in ihrem Ziel einer klimagerechten Welt einig sein, doch was die Methoden betrifft, herrscht großer Dissens.
Ein Ziel, viele Wege
Lina hat sich inzwischen dem „Aufstand der letzten Generation“ angeschlossen und lässt bei Sitzblockaden die rasende Wut der Autofahrer schon mal mit stillen Tränen über sich ergehen. Eine junge Frau möchte bei keiner Kampagne mehr mitmachen, die Forderungen an die Regierung stellt, da diese ohnehin unbeachtet bleiben. Eine andere fühlt sich in der Position einer passiven Unterstützerin wohler. „Werdet gewaltbereit, schlagt zurück“, appelliert dagegen Guerrero, der von der Folgenlosigkeit bisheriger Aktionen zutiefst frustriert ist und einen Strategiewechsel einfordert. Friedlicher, respektvoller ziviler Ungehorsam oder: Alles ist legitim, solange keine Menschen dabei Schaden nehmen?
„Bis hierhin und wie weiter?“ begleitet fünf Protagonist:innen unterschiedlicher Zusammenhänge – „Letzte Generation“, „Fridays for Future“, „Extinction Rebellion“, „Ende Gelände“ – ein Jahr lang bei ihren Aktionen. Interviews gibt es nicht, die Kamera ist vielmehr einfach mit dabei: inmitten von blockierten Autos, vor denen sich junge Menschen an die Straße geheftet haben, im Hambacher Forst zwischen Baumhäusern und im Pfefferspraynebel der Polizei, die mit teils drastischer Gewalt gegen die Aktivist:innen in dem an der Abbruchkante des Braunkohletagebaus liegenden Dorf Lützerath vorgeht.
Klimagerechtigkeit & Dekolonisierung
Dabei ist der Film aber immer wieder auch im Gespräch mit Passanten, Pressevertretern und Mitaktivist:innen. Zur Sprache kommen dabei durchaus auch Zweifel an der Richtigkeit und Wirksamkeit des eigenen Vorgehens. Bisweilen meldet sich auch das schlechte Gewissen, wenn der Aktivismus gerade mal aussetzen muss. Hinzu kommt die berechtigte Sorge vor behördlicher Erfassung und Gefängnisstrafen. Im Jahr 2018 verabschiedete Nordrhein-Westfalen ein mit Terrorismusgefahr begründetes neues Polizeigesetz mit erweitertem Präventivgewahrsam. Anwendung findet es vor allem bei Menschen aus der Klimabewegung.
Dass es um Klimagerechtigkeit auch noch einen anderen, dem gegenwärtigen Aktivismus kritisch gegenüberstehenden Diskurs gibt, deutet eine Veranstaltung der in zahlreichen Ländern aktiven Gruppe „Ende Gelände“ an. „Wir brauchen euch nicht, um uns zu retten“, erklärt ein Podiumsteilnehmer aus dem sogenannten „Globalen Süden“ und spricht damit die „weiße Vorherrschaft“ der Bewegung an. Keine Klimagerechtigkeit ohne Dekolonisierung.
Felix Maria Bühler, ein gebürtiger Schweizer und derzeit Regiestudent an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, hält sich als Person ganz aus dem Film heraus. Allein die große Nähe zu dem Geschehen spricht für seine Empathie und eine Form des auf gegenseitigem Vertrauen basierenden „Embedded Journalism“. Dennoch ist gerade der Blick auf die heftigen Zusammenstöße zwischen Aktivist:innen und Polizei von dem Wunsch nach Dramatisierung und Überhöhung getragen. Unterlegt sind die Szenen mit unheilvoll dräuenden Klängen.
Der Film fügt sich in das seit einigen Jahren vermehrt auftretende Sub-Genre der Umweltbewegungsdokumentation. Doch anders als die auf einen Schauplatz konzentrierten Beobachtungen „Hambi – Der Kampf um den Hambacher Wald“ (2019) oder „Vergiss Meyn Nicht“ (2023) kann „Bis hierhin und wie weiter?“ die Themen nur anreißen.