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Filmkritik
Manchmal entwickeln Dinge ein kurioses Eigenleben. So war es weder geplant, dass die Titelfigur Beetlejuice in dem gleichnamigen Schabernack von Tim Burton aus dem Jahr 1988 mehr als ein paar Auftritte bekommt, noch sollte das Spektakel abstrus-lustig, sondern eher düster und unheimlich werden. Es lag wohl an Michael Keatons Hang, seine 17 Leinwand-Minuten wie ein Stand-up-Comedian zu improvisieren – und zwar in Wort und Aktion.
Ein wenig unangenehm ist dieser Zeitgenosse durchaus, den Keaton da vor 36 Jahren ins Leben gerufen hat. Im Deutschen hat man ihn altmodisch, aber treffend einen „Lottergeist“ genannt. Er poltert als sogenannter „Bio-Exorzist“ auf Abruf nicht nur durch Häuser und befreit diese von Mietern, sondern ist oberdrein so wenig kultiviert, fratzenhaft und verlottert, dass er nicht als „normaler“ Poltergeist durchgehen kann.
Eine Runde „Paranormal Activity“
Der Erfolg von „Beetlejuice“ hat die Macher damals überrascht. Dabei lag das Geheimnis weniger an der garstigen Erscheinung als vielmehr an den von Geena Davis, Alec Baldwin, Winona Ryder und Catherine O’Hara gespielten Sidekicks. Die bildende Künstlerin Delia (O’Hara) wollte als Stiefmutter der seherisch begabten Lydia (Ryder) einfach nicht an die Geister glauben, die im frisch bezogenen Haus der Deetz hausen. Als Kassengold erwiesen sich zudem Burtons Hang zum absonderlich-schrägen Production Design, die pompös-polternde Filmmusik von Danny Elfman und die Wiederbelebung des Songs „The Banana Boat Song“. Der Oldie aus dem Jahr 1956 bildet mit seinem treibenden Rhythmus und den Worten „Come Mister Tally Man, tally me banana; six hand, seven hand, eight hand, bunch!“ als Geister-Karaoke nicht nur einen Höhepunkt des Films, sondern steht seitdem ikonenhaft für die gelungene Einbindung eines Songs in einen filmischen Kontext.
All das muss man wissen, um zu verstehen, warum die Fans über Jahrzehnte hinweg eine Fortsetzung von „Beetlejuice“ herbeigesehnt haben. Denn einen inhaltlichen Grund, die Geschichte weiterzuerzählen, gibt es nicht. Die Familie Deetz wohnt immer noch in ihrem ehedem verwunschenen Haus. Delia ist auch im Rentenalter eine spleenige Künstlerin, und die längst erwachsene Lydia leitet eine „Paranormal Activity“-Show im Lokalfernsehen, wobei sie mit ihrem Produzenten Rory (Justin Theroux) liiert ist. Mit Astrid (Jenna Ortega) hat Lydia ihrerseits ein Mädchen, das in Alter und Habitus ganz der jungen Lydia gleicht, mit der einst der Kontakt zum Jenseits und zu Beetlejuice seinen Anfang nahm.
Ohne Kopf, aber quicklebendig
Alles könnte weiter seinen Gang gehen, wäre da nicht der plötzliche Tod von Lydias Vater Charles Deetz (Jeffrey Jones), der nach einer Hai-Attacke nun kopflos durchs Jenseits torkelt. Die Beerdigung, unüberlegte Handlungen, etwa die in die Trauerzeit verkündete Verlobung von Lydia und Rory, plus einige unbedachte Worte, etwa drei Mal hintereinander „Beetlejuice“ sagen, haben schließlich zur Folge, dass sich das Jenseits erneut auftut, der Lottergeist heraus- und Astrid hineinspringt und beide am Ort des anderen für ziemlich viel Aufregung sorgen.
Ist „Beetlejuice Beetlejuice“ also eine Fortsetzung mit nahezu gleichen Mitteln? Fast. Ein bisschen Neues ist durchaus vorhanden, das den alten Spaß auf ein neues Level hebt. Vater Deetz gilt nach Kinderpornografie-Vorwürfen gegen seinen Darsteller als Persona non grata und wird auf originelle Weise in einer köstlichen Animationssequenz aus der Story geworfen, ist kopflos (!) aber dennoch weiterhin präsent.
Astrid braucht auch im Jenseits ein Love Interest, das mit Jeremy Frazier (Arthur Conti) eine nicht nur sympathische Note erhält, die indes den „ganz normalen Wahnsinn“ der Deetz-Familie sinnlich und sinnhaft fortsetzt. Und auch Tim Burtons aktuelle Partnerin Monica Bellucci erhält eine tragende Nebenrolle, indem sie mit Delores LaVerge die Ex-Frau von Beetlejuice mimt, die zu einer gefürchteten Seelenschluckerin avanciert und sich an ihrem Ex-Mann rächen will.
Tür an Tür zur Addams Family
Bis auf den gelungenen, wenn auch makabren Running Gag mit dem kopflosen Charles Deetz sind den Drehbuchautoren Alfred Gough und Miles Millar sonst aber eigentümlich wenige Gründe eingefallen, Frazier und LaVerge in der Handlung zu behalten. Vielmehr merkt man, dass die beiden auch für den „Addams Family“-Serien-Ableger „Wednesday“ verantwortlich zeichnen, in dem Jenna Ortega die Hauptrolle spielt und Tim Burton teilweise auch für die Regie verantwortlich ist. Das hat zur Folge, dass man zwischendurch nicht so recht weiß, ob man in „Beetlejuice Beetlejuice“ nun bei der Addams Family oder bei Familie Deetz weilt.
Zum Glück gibt es aber das Production Design, das in den Jenseits-Sequenzen mit Schrumpfkopf-Menschen und anderen unglücklich Verstorbenen köstlich-schräge Situationen im expressionistischen Doktor-Caligari-Stil kreiert. Und es gibt eine Filmmusik, die mit so polkahaften Klängen beginnt, dass das geduckte Heranhüpfen des quengeligen Lottergeistes im Kopfkino geradezu evozieren wird. Ein paar „Banana Boat“-Klänge dürfen als Reprise natürlich auch nicht fehlen.
Der Kuchen im Regen
Höhepunkt ist allerdings erneut ein alter Song, der mit epischem Schmalz und poetisch-grotesken Texten die Vermählung von Lydia und Rory in einen audiovisuellen Karaoke-Moment verwandelt: der Schnulzenklassiker „MacArthur Park“ von Richard Harris aus dem Jahr 1968. Sieben Minuten lang wird darin eine verflossene Liebe besungen, mit dem Refrain „Someone left the cake out in the rain - I don’t think that I can take it – ’Cause it took so long to bake it - And I’ll never have that recipe again - Oh, no“. Und Burton lässt es sich natürlich nicht nehmen, die im Regen stehende Torte und den ganzen anderen lyrischen Unsinn im Film pointiert in Szene zu setzen.
„Beetlejuice Beetlejuice“ ist analog zu seinem Titel also in der Tat irgendwie redundant, aber auf angenehme Weise. Ob er indes ein ähnlich kurioses Eigenleben wie sein Vorgänger erfahren wird?