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Filmkritik
Dieses Herz schlägt zu heißblütig und zu schnell. Überhastet werfen sich Clotaire (Malik Frikah) und seine Crew in ihre Autos und rasen durchs Parkhaus, zum nächsten Coup. Ein Anruf kurz vor dem Aussteigen könnte den Wendepunkt bringen. Clotaire, angefüllt mit Hass und Adrenalin, kennt die Nummer, aber er geht nicht ran. Der darauffolgende Coup mutet wie ein Racheakt an und endet in einem Blutbad. Erst dann folgt der in blutrote Lettern gegossene Filmtitel auf eine Eingangssequenz, die wie ein dunkler Albtraum anmutet – und aus dem man hochschreckt, an den hell erleuchteten Anfang einer pulsierenden Liebesgeschichte. Also, alles auf Anfang.
In „Beating Hearts“ geht es um die Liebe von Clotaire und Jackie (Mallory Wanecque) in einem Industriestädtchen an der Küste Nordfrankreichs. Der 17-jährige Clotaire ist das Kind einer vielköpfigen Familie mit einem Hafenarbeiter als abwe(i)sendem Vater und einer liebevollen, aber zurückhaltenden Mutter. Der zwei Jahre jüngeren Halbwaisen Jackie wird von ihrem alleinerziehenden Vater (Alain Chabat) hingegen ein Zuhause voller Geborgenheit und Fürsorge bereitet. Die Schule, die Jackie so leicht von der Hand geht, hat der nicht weniger clevere Clotaire längst aufgegeben. Zu verlockend ist das schnell verdiente Geld aus kleinen Gaunereien und bald im Dienst des örtlichen Mafia-Bosses Le Brosse (Benoît Poelvoorde). Clotaire zeichnet sich durch seine Bereitschaft aus, schneller zuzuschlagen, als der Gegner gucken kann – und mehr einzustecken, als ihm seine Mitkämpfer zutrauen. Das kostet ihn die Freundschaft seines besten Kumpels Lionel. Dafür aber gewinnt er mit seiner jugendlichen Unverfrorenheit das Herz der verbal nicht weniger schlagfertigen Jackie.
Eine Frau und zwei Männer
Die beiden Jugendlichen werden ein Paar. Unzertrennlich, aber belastet durch Clotaires immer gewalttätigere Kriminellen-Karriere. Dann geht eines Tages ein Überfall schief. Der Teenager landet unschuldig im Gefängnis. Mehr als zehn Jahre schenkt Clotaire seinem Boss und dessen Sohn. Jackies Schulnoten und ihre berufliche Zukunft rauschen in den Keller. Irgendwann beginnt die junge Frau ein anderes Leben mit einem anderen Mann. Mit Eigenheim statt romantischer Strandausflüge, mit familiären Zukunftsplänen statt ständiger Sorgen. Allerdings steigt auch das Misstrauen; zudem schwindet der Respekt füreinander. Dafür bleibt die Liebe zum inhaftierten Clotaire. Als der aus dem Knast zurückkehrt, schweigsam und nachdenklich, kann er die kriminelle Vergangenheit ebenso wenig abschütteln wie seine Gefühle für Jackie.
Der Schauspieler-Regisseur Gilles Lellouche erzählt in seinem dritten Spielfilm das Märchen einer leidenschaftlichen Liebe, die den Knast übersteht und letztlich sogar den Tod besiegt. Gerahmt wird diese dem Untergang geweihte Liebe von einer sich wiederholenden Sonnenfinsternis. Innerhalb dieses Rahmens findet die physische Trennung der „Beating Hearts“ statt, die auch ohneeinander füreinander weiterschlagen – diesmal in den Körpern der erwachsenen Darsteller Adèle Exarchopoulos und François Civil.
Das hat etwas unverbrüchlich Romantisches und wird auch im Gangster-Milieu und in der Öl- und Schotter-durchtränkten Atmosphäre eines einst florierenden Industriestädtchens nicht zum ersten Mal erzählt. „Wild at Heart“ lässt grüßen. „Beating Hearts“, der auf einem Roman von Neville Thompson basiert, pulsiert jedoch mit einer bemerkenswert mitreißenden Energie, die sich tief in die Leinwand einprägt. Die Verbildlichung der Gefühle geschieht mit den Mitteln des Bewegungskinos: in Autos, auf Motorrollern, im zweisamen Musical-Tanz über das Schulgelände, der Realität der Mitschüler entrückt, wenn Jackie und Clotaire ihre Liebe füreinander entdecken. Dem kann man sich nur schwer entziehen, wenn das Paar mitsamt seinen überschwänglichen Gefühlen selbstvergessen zur Musik von The Cure, Billy Idol oder Foreigner über die Leinwand wirbelt.
Ein brillant besetzter Film
In den besten Momenten reicht „Beating Hearts“ mit seinen hochfliegenden Bildern und sozialrealistischen Wurzeln an die Wucht eines Jacques Audiard heran. In seinen missglückten Augenblicken erwecken die ständigen Gewalteinbrüche, die in der erklärten Gewaltverächterin Jackie kein Umdenken anstoßen, den Eindruck einer unreflektierten Melange aus Brutalität und Pathos. Ins Stolpern gerät der bis in die Nebenrollen brillant besetzte Film trotz aller Raserei dennoch für lange Zeit nicht – bis Clotaire nach all den Jahren ausgerechnet Lionel im Kofferraum seines Widersachers entdeckt und die Geschichte ins Absurde zu kippen beginnt.
Auf der anderen Seite gibt sich die derart überladene Geschichte so dick den Anstrich eines Märchens, dass man narrative Kohärenzen und Wahrscheinlichkeiten zu diesem Zeitpunkt ohnehin ad acta gelegt hat. Ein bisschen fühlt sich das Liebes-Gangster-Drama wie das geglückte Wiedereinschlafen nach einem bösen Traum an – mit dem Vorsatz, dem Albtraum eine andere Wendung zu geben. „This is your Wake-Up-Call“. Geh ran!