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Filmkritik
„Bad Director“ ist der Titel eines Films. Also kein Urteil über dessen von Oliver Masucci gespielte Hauptfigur namens Gregor Samsa, einen Filmemacher mit kafkaeskem Namen, über den Regisseur Oskar Roehler, der hier seinen eigenen Roman „Selbstverfickung“ adaptiert und sich mit Samsa sein ultimatives Alter Ego erschafft, noch über den Film selbst. Daran, also an das Offensichtliche, muss man (sich) erinnern in Anbetracht zweier quälend langer Stunden, um nicht gänzlich dem Zorn nachzugeben, den der Film in einem auslösen will. Man würde sich damit auf ein Niveau herabziehen lassen, dem man fernbleiben sollte. Ein Werk ist ein Werk, es ist immer gewollt und gedacht worden. Selbst „Bad Director“, dem man kaum anmerkt, wozu oder aus welchem Grund es entstanden ist, und das alles dafür tut, deutlich zu machen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn es niemals das Licht der Welt erblickt hätte.
Ein alter weißer Mann
Hinter dem „Bad Director“ verbirgt sich dennoch eine Figur: ein deutscher Filmemacher mit Überbiss und großer Klappe, der an einen schleimigen Frosch erinnert und durch diese zwei Stunden gleitet wie durch einen einzigen Malstrom aus Champagner und wüsten Beschimpfungen. Der Mann ist ein alkohol- und tablettenabhängiger Unsympath, der zu Prostituierten geht und seine Mitarbeiter anschreit, eine Diva, die versucht, einen Film zu drehen, den sie nicht drehen will und nicht drehen kann. Ein alter weißer Mann, ein Langeweiler, ein verwöhntes Kind. Das am Ende bekommt, was es verdient.
Der Film „Bad Director“ ist weniger „schlecht“ als ein bis in die letzte Faser vor Selbsthass zuckender Körper. Was ist ein Regisseur? Kein Künstler, sondern jemand, der „Leute irgendwo hinstellt“, wie Samsa es einmal formuliert, der seine Macht ein bisschen missbrauchen und Frauen auf die Brüste starren darf. Bei einer Party zu Beginn, die aussieht, als sei sie einem sterilen Hochglanz-Constantin-Film entsprungen, erklärt Samsa einer hübschen blonden Kellnerin die deutsche (Film-)Welt. Das heißt, er wettert gegen die deutsche Filmförderung und gegen deutsche Filme überhaupt. Gegen Filme wie den von Roehler.
Mit gefletschten Zähnen
Nun ist Roehlers monotone Suada, mit ihren schnell ausgelaugten, überdehnten Szenen und ihrem schleppenden Rhythmus, genau jener gebührenfinanzierte künstlerische Totalschaden, über den sein Protagonist sich aufregt. Womit sich der Film in nichts von der Spießigkeit und Langeweile des deutschen Kinos unterscheidet, gegen die er aufbegehrt. Der Konsens des Films ist grimmig, vorgetragen mit gefletschten Zähnen, die beim Fletschen herausfallen. Die Impotenz ist allgegenwärtig. Als sexuelle Impotenz des alten Mannes, aber auch als künstlerische Impotenz, die darin besteht, keinen Film mehr drehen zu können, und schließlich als Impotenz des Provokateurs, mit seinen Provokationen nichts mehr ausrichten zu können. Um es mit Samsas Gesicht zu sagen: Er hat zu viel Überbiss, um noch irgendwas zum Beißen zu kriegen.
Der Film ist dann am schlimmsten, wenn er es nicht einmal hinkriegt, seine Verwünschungen klar zu adressieren und sich von einer Scham beschneiden lässt, die er offenbart doch ablehnt. Natürlich fährt Samsa seine Mitarbeiter:innen of color, die „Refugees Welcome“-T-Shirts tragen, nicht wegen deren Hautfarbe oder Wokeness an. Nein, er macht sie zur Sau, weil ihm die Idioten das falsche Schlafmittel besorgt haben!
Warum aber nicht gleich die ganze Palette an rassistischen oder anti-linken Begriffen auflegen, die hier nur darauf lauern, explizit zu werden, wenn an anderen Stellen von den Sexualgewohnheiten „der Türken vor der Ehe“ die Rede ist, Frauen als Mischung aus Sexobjekten und Fünfzigerjahre-Krankenschwestern herhalten dürfen (die, sollten sie selbst denken, zum Ärgernis oder zum Viagra-Ersatz werden)? Oder wenn Samsa davon fantasiert, eine Prostituierte mit blütenweißer Haut mit einem Schwarzen zu „kreuzen“?
Sexarbeiterin mit Suhrkamp-Habitus
Auch wenn es hier Sexismus und Rassismus en masse gibt, sollte dies nicht mit der „Aussage“ des Films identifiziert werden. Sie sind Teil eines vor aller Augen ausgebreiteten Männerdeliriums, das in seiner Lächerlichkeit preisgegeben wird, und Teil eines Programmes, das die Hauptfigur in jeder Hinsicht hassenswert machen soll. Was einen mit der Frage zurücklässt: Wozu so viel Selbsthass? In der Film-, Literatur- und Kunstkritik genießt Selbstgefälligkeit keinen guten Ruf. „Bad Director“ könnte dazu beitragen, sie zu rehabilitieren. Etwas mehr Selbstliebe hätte dem Film gutgetan.
Dies merkt man in einer Szene, die überraschend schön ist. In ihr verliebt sich Samsa in eine Sexarbeiterin, die dem vollen Klischee entspricht: blond, weiße Haut, osteuropäischer Akzent. Aber doch intellektuell, Typus „Suhrkamp-Lektorin“, zumindest in Samsas Fantasie. Sie spricht von „Solariumferien“, er feiert die „Wortneuschöpfung“, kniet vor ihr nieder wie vor einer Göttin und beginnt, den Kopf zwischen ihren Beinen zu bewegen, während beide ins Chiaroscuro des Bordellzimmers eintauchen wie in ein Gemälde. Mit einem Mal gibt es eine echte Hingabe an diesen Moment, der schlagartig ins Bewusstsein ruft, dass Roehler solche Frauen, solche Klischees, solche Situationen einfach liebt – was auch immer man davon halten mag. Und dass er in der Lage ist, dieser Liebe einen Ausdruck zu verleihen.
Das Glück währt aber nur kurz; mit dem, was er mag, weiß Roehler schon bald nichts mehr anzufangen. Und doch hat man etwas gelernt: Einem Film, der so wenig gemocht werden will, sollte nicht auch noch der letzte Rest Zuneigung verweigert werden, den er für die Dauer einer Szene zu erzeugen weiß.