- RegieJens Meurer
- ProduktionsländerDeutschland
- Dauer99 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 0
- IMDb Rating7.2/10 (0) Stimmen
Vorstellungen
Filmkritik
Der Berliner Regisseur und Produzent Jens Meurer hat viele Jahre lang die Welt mit seinen Dokumentarfilmen erkundet. Nach „Public Enemy“ (1999) über ehemalige Mitglieder der schwarzen „Black Panther Party“ in den USA produzierte er allerdings zwei Jahrzehnte lang vor allem internationale Spielfilme wie „Black Book“ oder „Rush – Alles für den Sieg“. Jetzt kehrt er mit „An Impossible Project“ wieder zum Dokumentarischen zurück, nachdem er bei der Arbeit an „Rush“ auf den visionären österreichischen Unternehmer und Biologen Florian „Doc“ Kaps und dessen einzigartige Lebensgeschichte aufmerksam wurde.
Ein Schutzpatron des Analogen
In dem auf Englisch gedrehten Dokumentarfilm schildert Meurer in vielen Facetten den Einsatz von Kaps und seiner Mitstreiter für den Erhalt des Analogen und damit einer Alternative zur Omnipräsenz des Digitalen. Als 2008 das erste iPhone auf den Markt kam und den Siegeszug des Smartphones einläutete, entschied der Polaroid-Konzern zum 60. Firmenjubiläum, die Produktion des Sofortbild-Filmmaterials zu beenden und die letzte Fabrik in Enschede in den Niederlanden zu schließen. Als selbsternannter „Schutzpatron aller analogen Dinge“ riskierte Kaps sein Vermögen, um mit anderen Aktivisten zusammen die Fabrik zu kaufen, obwohl alle ihn warnten, dass dies eine vergebliche Liebesmüh sei.
Unter dem Namen „Impossible Project“ wagte Kaps einen Neuanfang, holte ehemalige Polaroid-Mitarbeiter zurück und setzte die Maschinen wieder in Gang. Doch schnell stellte sich heraus, dass die nötigen Chemikalien nicht mehr produziert wurden und überdies die komplizierte Rezeptur verlorengegangen war. Der eigensinnige Underdog gewann zwar Investoren und fähige Mitarbeiter, darunter den jungen US-Fotografen Oskar Smolokowski, doch es dauerte Jahre, bis die vorherige technische Qualität wieder erreicht wurde und eine neue, erschwingliche Kamera entwickelt war.
Zwischendurch ging der Firma das Geld aus. Kaps wurde aus dem Unternehmen gedrängt, und Smolokowski übernahm die Leitung, der seinen eigenen Vater als weiteren Investor gewann.
Doch Kaps ließ sich nicht entmutigen und wandte sich neuen Projekten mit ähnlich „unmöglichen“ Perspektiven zu. In Wien gründete er „Supersense“, eine Art Wunderkammer im Stil einer Werkstatt, die ausgewählte „analoge“ Produkte herstellt, aber auch analoge Erzeugnisse von Gleichgesinnten verkauft.
Sein jüngstes Projekt ist die Wiederbelegung des Südbahnhotels in Semmering bei Wien, einem ehemaligen Grand Hotel, das 1882 erbaut wurde und seit Jahrzehnten leer steht. Kaps schwebt vor, in dem Gebäude eine Kulturstätte zu errichten. Während der Sondierungen erreicht ihn eine Einladung von Facebook, zu einem Gedankenaustausch ins Silicon Valley zu reisen.
Eine Art Symbiose
Meurer führt als Off-Kommentator durch die Stationen und Interviews und begleitet die Ereignisse aus der Ich-Perspektive; zwischen Regisseur und Protagonist besteht anscheinend ein enges Vertrauensverhältnis. Kaps erzählt von seinen unstillbaren Leidenschaften und Träumen, aber auch von Rückschlägen und Niederlagen. Meurer wiederum protokolliert Kaps’ inspirierende Aktivitäten mit sichtlicher Anteilnahme, wobei der Film deutlich macht, dass Kaps keinen Kreuzzug gegen die expansive Digitalisierung des Alltags unternimmt, sondern dass er für eine friedliche Koexistenz, ja sogar eine Symbiose von analog und digital eintritt. Es geht Kaps nicht um ein Entweder-Oder, sondern um die Möglichkeit einer Wahl.
Deutlich wird auch, etwa in einer familiären Runde, dass sich der muntere Anti-Held Kaps in einer privilegierten Ausnahmeposition befindet. Er kann sich die finanziellen Verluste offenbar leisten, ohne den Mut für immer neue riskante Unternehmungen zu verlieren.
Bei so viel Vertrautheit hätten aber auch kritische Nachfragen nicht geschadet, etwa nach den Gründen für das unfreiwillige Ausscheiden von Kaps aus dem Polaroid-Nachfolge-Projekt, das an das Schicksal von Steve Jobs bei Apple erinnert. Auch das kurze Tête-à-Tête von Kaps mit den Pionieren des „Analog Research Lab“ bei Facebook bleibt seltsam vage und diffus.
Mit einem Augenzwinkern
Die Kameramänner Bernd Fischer und Torsten Lippstock haben den Film – passend zu seinem Gegenstand – auf analogem 35mm-Filmaterial gedreht. Der Soundtrack wurde von einem 40-köpfigen Jazz-Orchester mit der Sängerin Haley Reinhart als Direktschnitt auf einer Vinyl-Schallplatte aufgenommen. Die Filmtitel wurden per Hand mit einer originalen Letterpress-Maschine gesetzt und gedruckt. Auf diese Weise entstand eine filmische Liebeserklärung an die analoge Welt, die über das Porträt eines inspirierenden Stehaufmännchens hinaus auf das Phänomen eines weltweiten Revivals von Analog-Produkten – von Vinyl über Instant-Fotografie bis zu Moleskine-Büchern – verweist.
Sympathisch an „An Impossible Project“ ist, dass der Film mit einem Augenzwinkern erzählt ist und eine heitere Stimmung erzeugt. Der Protagonist mag ein Exzentriker sein, aber er ist kein Extremist, der das Digitale verdammt. Wenn man Kaps im Film permanent in einer Jacke mit Polaroid-Signet sieht, spiegelt sich darin auch sein Sinn für Selbstironie – ein Humor, der Meurer an die Figur des Monsieur Hulot erinnert. Passend dazu merkt Meurer im Abspann an, dass er seinen nächsten Film auf 16mm drehen werde – weil dies kostengünstiger sei!
Im Abspann erfährt man auch, dass die Polaroid-Fabrik inzwischen wieder mehr als eine Million Filme pro Jahr herstellt. Auch die Verkaufszahlen von Vinyl-Platten steigen; 2019 wurden weltweit mehr als 300 Millionen Platten abgesetzt. Die Mehrheit ihrer Käufer ist jünger als 25 Jahre.