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Filmplakat von A Different Man

A Different Man

112 min | Drama, Komödie, Thriller | FSK 12
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Was wäre, wenn du von heute auf morgen mit dem „perfekten“ Gesicht aufwachen würdest? Für den an einer seltenen Hautkrankheit leidenden Edward klingt dies wie ein Segen. Im Beruf wie in der Liebe ist der Schauspieler erfolglos. Sein Leben verrinnt gleichförmig in einer schäbigen New Yorker Wohnung mit einem Loch in der Decke. Die Chance, mithilfe eines radikalen medizinischen Experiments einen Neuanfang wagen zu können, klingt gut. Zunächst läuft es auch gut mit dem neuen Wunschleben. Als er jedoch schicksalhaft genau an die Rolle gerät, die sein früheres Alter Ego verkörpert – einen Mann mit Neurofibromatose –, bricht in seinem Inneren Chaos aus.
Schimbergs mitreißendes, zwischen Tragik und Komik wechselndes Drama stellt viele richtige Fragen und begeistert mit cineastischen Details und einem fantastischen Sebastian Stan in der Hauptrolle.

Vorstellungen

Regina-Palast Leipzig
Regina-Palast Leipzig
Dresdner Straße 56
04317 Leipzig
Passage Kinos Leipzig
Passage Kinos Leipzig
Hainstraße 19a
04109 Leipzig
Kino Breitwand im Schloß Seefeld
Schloßhof 7
82229 Seefeld, Oberbayern
E-Werk-Kino
Fuchsenwiese 1
91054 Erlangen
Kino Breitwand Gauting
Bahnhofsplatz 2
82131 Gauting

Filmkritik

Edward (Sebastian Stan) sieht sein eigenes Leben auf der Bühne. Es ist ein Theaterstück geworden, geschrieben von Ingrid (Renate Reinsve), seiner ehemaligen Nachbarin und heutigen Geliebten. Edward heißt mittlerweile Guy und ist von der Neurofibromatose geheilt. Das von dieser Erbkrankheit früher entstellte Gesicht hat sich in einer Body-Horror-artigen Transformation mit gutem Ausgang Stück für Stück selbst abgeschält oder abschälen lassen. Ein neues, normales, männliches, weißes, vielleicht sogar attraktives Gesicht ist geblieben. Edward aber ist gestorben. Guy hat ihn und damit sein altes Leben beerdigt. Nun ist er neu geboren mit einem Gesicht, einer Hautfarbe und einem Geschlecht, die allesamt nicht negativ belegt sind.

Fremd, aber vor Glück verzerrt

Ein Leben, das für den Protagonisten erst einmal kaum zu fassen ist. Beim ersten Barbesuch mit neuem Gesicht wird er von den Betrunkenen, die gröhlend hereinplatzen, also von den Menschen, die ihn sonst quasi reflexartig schikanierten, in ihre Mitte aufgenommen. Eine der Barbesucherinnen macht ihm schöne Augen und befriedigt ihn später oral auf der Toilette. Guy sieht dabei in den Spiegel, starrt in sein eigenes, gänzlich fremdes und vor Glück verzerrtes Gesicht. Plötzlich hat er Sex, bald dazu noch Freunde und sogar eine Karriere – das 08/15-Leben, nachdem er sich immer gesehnt hat.

Was er zurückgelassen hat, ist nun ein Kunstwerk geworden, ein Off-Broadway-Theaterstück. Als er seinen alten Namen auf dem Plakat sieht, platzt er kurzerhand in das Casting hinein, wobei er einen Abdruck seines alten Gesichts als Maske trägt. „I was born for this role“, erklärt er der ehemaligen Nachbarin Ingrid, die als Autorin und Regisseurin die Hauptrolle besetzt. Guy spielt den Himmel von den Sternen, bekommt die Rolle und wird kurz darauf von Ingrid, die ihn noch vor wenigen Monate zurückwies, verführt.

Ein „Aber“ nach dem anderen

Natürlich behält der Filmemacher Aaron Schirmberg manches „Aber“ für sein märchenhaft-komisches Drama bereit. Überhaupt ist das erzählerische „Aber“ die Grundlage von „A Different Man“, der nach und nach alle diskursiven und persönlichen Facetten der Idee von Identität durchdekliniert, um das Ergebnis das aufs Neue in Frage zu stellen. Der dazugehörige Kern ist das Theaterstück: eine Bühnenversion von Edwards altem Leben. Für die Bühne wird aus dem Mitesser, den Ingrid Edward einst ausdrücken wollte, eine Wimper, und aus der Abweisung, die Edward für den Kuss erfuhr, den er ihr kurz darauf geben wollte, tatsächliche Zuneigung.

Das alles ist ein bisschen hübscher, ein bisschen netter und ein bisschen weniger wie Edwards einstiges Leben. Trotzdem soll er nach seinem Casting-Auftritt sein früheres Selbst, also Edward, spielen. Für das Stück trägt er die alte Identität als Maske. Einen Anspruch auf die dazugehörigen Wahrheiten und Affekte hat Guy aber nicht mehr. „It’s my creation“, sagt ihm Ingrid, als er Details des Charakters anzufechten versucht. Sie kenne Edward besser und überhaupt: Woher solle er schon wissen, wie sich ein solches Leben anfühlt.

Für diese Rolle (nicht) geboren

Der Mann, der kurz darauf zu den Theaterproben stößt, weiß es umso besser. Oswald (Adam Pearson) leidet wie einst Edward an Neurofibromatose und kann damit ebenfalls, wenngleich auf gänzlich andere Art, behaupten, er sei für die Rolle geboren. Anders als Edward es war, ist Oswald jedoch nicht von seinem Äußeren gelähmt. Er lebt sein Leben, singt, lacht, schauspielert, heiratet, hat Kinder, lässt sich scheiden, hat Sex, Freunde und ein großes Herz für sein Umfeld und auch für Edward, der jetzt Guy ist. Kurzum: Er hat alles, was Edward nie hatte und Guy auch nur in der 08/15-Version bekommt. Bald darauf ergattert er sogar die Hauptrolle, die eigentlich fest auf Guy gebucht war.

Auf die denkbar netteste und damit schmerzhafteste Art drückt der Film dem Protagonisten die eigenen Verfehlungen ins magisch verwandelte Gesicht und hält ihm im Nachgang das Leben vor, das auch mit entstelltem Äußeren möglich gewesen wäre. Oder auch nicht. Denn auch hier setzte „A Different Man“ ein „Aber“ dagegen. Irgendwie ist jeder und doch keiner von beiden, weder der authentisch körperlich Beeinträchtige noch der seiner Erfahrung nach Authentische, für diese Rolle geboren.

Aaron Schimberg spielt ähnlich wie schon in „Chained for Life (2018)“, der sich ebenfalls einen an Neurofibromatose erkrankten Schauspieler (Adam Pearson) drehte, mit der Bürde und der Schönheit des Andersseins, dem Schmerz wie dem Privileg der Normalität. Allerlei Schicksal also, das sich in „A Different Man“ fröhlich mit sozialen Gegebenheiten, mit Selbstoptimierung und den Ansprüchen der anderen mischt. Kurzum: Alles ist kompliziert, alles gerät durcheinander.

Die unterschiedlichsten Register

Die große Stärke von „A Different Man“ besteht jedoch nicht darin, die dazugehörigen Fragen zu formulieren und immer neue Probleme in den Raum zu stellen, sondern die dazu passende ästhetische Vielseitigkeit zu entwickeln. Unterschiedliche Register, mal der Slapstick, mal der Body-Horror, mal der New-York-Blues, bekommen im eigentlich tragischen Schicksal des Protagonisten Raum. Mitunter scheint das fast ein bisschen viel, und man fürchtet fast, dass der „echte“ Edward/Guy darüber verloren ginge, der nicht nur zur Punchline des Stückes, sondern auch des Films zu werden droht. Doch nur bis zum nächsten „Aber“.

Erschienen auf filmdienst.deA Different ManVon: Karsten Munt (11.10.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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