- RegieMaike Conway
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2024
- Dauer90 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- AltersfreigabeFSK 6
Vorstellungen
Filmkritik
Alles ist auf Olympia ausgerichtet. Seitdem feststeht, dass Breakdance beziehungsweise Breaking, wie es die Tänzerinnen und Tänzer, die B-Girls und B-Boys, nennen, olympisch wird, hat sich einiges geändert. Aus einer Subkultur ist ein Sport geworden. Straßenbattles werden zu inszenierten Wettkämpfen. Zu Events, gesponsert von „Red Bull“. Aus Gangs wurden Teams, aus Rebellinnen Kaderathletinnen. Immer mal wieder ist zu lesen, dass es die Szene gespalten habe, in Paris 2024 als erste Tanzsportart bei Olympischen Spielen vertreten zu sein. In „2unbreakable“ spielt das keine Rolle.
Aufs Persönliche fokussiert
Der Film von Maike Conway kommt am selben Tag ins Kino, an dem in Budapest die „Olympic Qualifier Series“ startet. Ab 20. Juni werden dort die letzten Plätze für die Olympischen Spiele in Paris vergeben. „2unbreakable“ ist nach „Dancing Heartbeats“ der zweite Dokumentarfilm innerhalb kurzer Zeit, der sich dem Breaking widmet. Auch darin dreht sich vieles um Olympia.
Beide Filme ähneln sich in ihrem Fokus. Sie interessieren sich kaum für die Geschichte und Kultur des Breakdance. Auch die sportliche Gegenwart illustrieren sie eher, als dass sie sie beleuchten. Wer vorher nichts über das Breaking wusste, weiß hinterher nur wenig mehr. Zumindest aber könnte Neugier geweckt werden, denn die Faszination dieses Sports vermitteln die Impressionen der diversen Battles durchaus.
Beide Filme rücken vor allem die Darstellenden und deren Träume, auch, aber nicht nur von Olympia, in den Mittelpunkt. In „Dancing Heartbeats“ sind es drei B-Girls in der traditionell männlich geprägten Szene, darunter mit Jilou die sportlich derzeit erfolgreichste deutsche Breakerin. „2unbreakable“ begleitet mit Serhat Perhat alias Said und Joanna Mintcheva alias Joanna einen B-Boy und ein B-Girl bei ihren Vorbereitungen für Olympia. Dadurch, dass sie sich auf die persönlichen Perspektiven der Figuren fokussieren, gleichen sich die beiden Filme formal. Gleichzeitig erzählen sie aber ganz unterschiedliche Geschichten.
Die grundlegende Erzählstruktur ist ebenso simpel wie kurzweilig. Während die Kamera Said und Joanna abwechselnd in ihrem Alltag begleitet – bei Auftritten mit ihren Crews, den Saxonz (Joanna) beziehungsweise den Sankofas (Said), die beide als Familien bezeichnen, beim Training und bei Wettkämpfen – erzählen sie im Off von ihrem Leben, ihren Träumen, ihren Einstellungen und ihrer Haltung.
Serhat & Joanna
Seit fünfzehn Jahren, sagt Said, tanze er schon; die ersten zehn Jahre habe er bei den Battles immer nur verloren. Damals sei er heimlich zu den Wettkämpfen gereist und habe seine Mutter angelogen, nur um am Ende dann doch wieder zu verlieren. Aber er blieb dran, machte trotzdem sein Abitur, studierte Fotodesign, ehe er sich entschloss, vorübergehend alles auf die Karte des Sports zu setzen. Beim Breaking, erklärt er, gehe es ihm nicht in erster Linie ums Gewinnen. Das, was ihn reize, sei der Prozess, den er dabei durchmache, nicht nur als Breaker, sondern als Mensch.
Joanna hat es ebenso wie Said in den Olympiakader geschafft. Der Druck, gibt sie zu, sei dadurch gestiegen, dass sie nicht mehr nur sich selbst repräsentiere, sondern den Kader und am Ende Deutschland. Auch sie studiert, Klinische Psychologie, Psychotherapie. Die Disziplin, die sie dabei an den Tag legt, erklärt sie damit, dass ihre Eltern aus Bulgarien nach Deutschland gekommen seien und sich dort alles hart hätten erarbeiten müssen. Ihr ist es wichtig, sie jetzt nicht zu enttäuschen.
Mit uigurischen Wurzeln
So entstehen Skizzen zweier Persönlichkeiten, die aufgrund der beständigen Ton-Bild-Scheren eine professionelle Distanz kaum überwinden können. Das ist das, was man so sagt: der Druck, die Familie, die Träume, der Reifeprozess. Es gibt jedoch auch Szenen, in denen Bild und Ton wieder zueinanderfinden. Etwa, wenn Serhats Mutter schildert, dass das Breaking ihr früher vollkommen fremd gewesen sei; mittlerweile aber habe sie sich darin verliebt.
Serhats Eltern sind Uiguren. Auch wenn sie ihre Heimat vermisst, weiß die Mutter, dass sie aufgrund der Unterdrückung des uigurischen Volkes vermutlich nie wieder nach China zurückkehren kann. Deshalb hat sie sich entschlossen, nun alle Kraft und Liebe in ihre neue Heimat zu stecken. Sie sei so stolz, sagt sie, Serhats Mutter zu sein. Wenn er sich für Olympia qualifiziere, sei es das erste Mal, dass das uigurische Volk dort vertreten sei. Serhat könnte Geschichte schreiben. Als Serhat ihr erzählte, sein Studium auszusetzen, habe sie gemischte Gefühle gehabt. Schließlich aber habe sie sich entschieden: Ich bin an der Seite von Serhat. Diese Momente der mütterlichen Unterstützung, des Glaubens und Vertrauens, des Stolzes und der Liebe wirken so unverfälscht, so aus dem Herzen gesprochen, dass alles andere in den Hintergrund gerät. Hier ist der Film ganz bei sich.
Ein schwieriges Thema
Auch mit Joanna gibt es einen solchen Moment, der zu Tränen rührt. Ihren Freund Felix alias B-Boy Rossi lernte sie als alleinerziehenden Vater kennen. Für seine kleine Tochter Feenja ist Joanna mittlerweile zur zweiten Mama geworden. Beatrice, die leibliche Mama, erzählt Felix, war schon krank, als Feenja auf die Welt kam. Zehn Monate später ist sie gestorben. Felix’ Stimme stockt, als er das erzählt; „ein schwieriges Thema“. Aber Joanna ist es, die zu weinen anfängt und dabei zu erklären versucht, wie hart es für sie ist, zu wissen und zu verstehen, dass ihm Beatrice noch immer fehle, und sich dennoch von ihm und Feenja geliebt zu fühlen. Während Joanna heulend nach Worten ringt, läuft die Kamera weiter, als habe jemand vergessen, sie auszuschalten.
Natürlich ist „2unbreakable“ ein Film über Breaking im Vorgriff der Olympischen Spiele in Paris. In seinen stärksten Momenten aber ist es vor allem: ein Film über Serhat und Joanna.